Thomas Langhoffs Inszenierung „Die Übergangsgesellschaft“ hat Theatergeschichte geschrieben. Volker Brauns Übermalung des Tschechow-Klassikers „Drei Schwestern“ zeichnet das Bild einer Gesellschaft voller Lethargie und Stagnation. Von den großen Träumen einer gerechteren sozialistischeren Republik ist in der DDR des Jahres 1988 nur die SED-Herrschaft mit freundlicher Unterstützung der Blockparteien geblieben, der Alltag ist grau, die ökonomische Substanz bröckelt.
So sehr sich Olga, Irina und Mascha nach Moskau träumen, so stark sehnen sich die Figuren in der „Übergangsgesellschaft“ nach Reisefreiheit, die in der DDR nur wenigen Parteikadern vorbehalten war. Überdeutlich sind die Parallelen, die der Dramatiker Braun und der Regisseur Langhoff zwischen dem vor sich hindämmernden Landadel der Zarenzeit und der Enttäuschung der DDR-Bürger ihrer Gegenwart ziehen.
Deshalb ist die „Übergangsgesellschaft“, die im Sommer 1990 vom kurz danach eingestellten Fernsehen der DDR aufgezeichnet wurde, ein sehenswertes Zeitdokument. Unklar bleibt: Wie deutlich waren die Systemkritik schon in der Theater-Premierenfassung anderthalb Jahre vor dem Mauerfall? Was wurde erst nach dem Zusammenbruch des Partei- und Staatsapparats nachgeschärft?
Bis ins Slapstickhaft-Drastische geht die Kritik, wenn Swetlana Schönfeld als Irina voller Überdruss an den herrschenden Verhältnissen nur noch taumelt und torkelt und sich symbolisch mit dem Strick erhängt. Kein Blatt vor den Mund nimmt auch Ruth Reinecke als Mette, die auf den Tisch steigt und zu einem Monolog voller Freiheitspathos ansetzt, der die Experimentier- und Lebensfreude feiert.
Ganz ungeniert setzt die Inszenierung Blackfacing und das N-Wort ein. Hier hat sich in den drei Jahrzehnten doch einiges getan, ein derart unsensibler Umgang wäre heute nicht mehr denkbar.
Szenenbild aus dem Nachtkritik plus-Stream