A scheene Leich

An manchen Abenden wie zuletzt bei „Joy 2022“ klaffen im Parkett der Münchner Kammerspiele so bedrohliche Lücken, dass Christine Dössel in der SZ-Osterausgabe zu einem Rundumschlag gegen das Programm der Intendantin Barbara Mundel ausholte. Wochen im Voraus ausverkauft sind jedoch zuverlässig die Abende von Gerhard Polt und den Well-Brüdern, die seit vier Jahrzehnten an der Maximilianstraße laufen, egal wer gerade Intendant*in ist.

Auch „A scheene Leich“, der aktuellste Polt-Abend, der seit Ende Januar in München läuft, folgt der bewährten Rezeptur: Spielszenen fügen sich zu einer losen Rahmenhandlung, im Zentrum stehen jedoch die Musik-Einlagen der Well Brüder, die sich aus 2/3 der legendären „Biermösl Blosn“ neu formierten, und natürlich vor allem die Soli von Gerhard Polt. Mit seinen 80 Jahren immer noch erstaunlich vital postiert er sich zwischen den Szenen raumgreifend vorne an der Rampe, und plaudert sich in betont-beiläufigem Ton in Boshaftigkeiten und alltagsphilosophische Betrachtungen hinein. Das reicht von der Abrechnung mit der Bilanz eines besonders unglücklich agierenden Bundesverkehrsministers (CSU), dessen Maut-Pläne zum Milliardengrab wurden, bis zu Betrachtungen über menschenwürdiges Leben und Sterben im Kapitalismus.

Polt verkörpert in dem Stück, das der Schweizer Regisseur Ruedi Häusermann mit ihm konzipierte, den Unternehmer Pius Brenner, der als „Old-Age-Manager“ eine Marktlücke entdeckt hat. Als Bestattungsunternehmer hat er die Zusammenarbeit mit dem Pflegeheim optimiert. Seine Mitarbeiter treibt er an, den Angehörigen der vor sich hindämmernden Senioren (Stefan Merki mit Zottel-Look im Rollstuhl) möglichst teure Extras anzudrehen.

„A scheene Leich“ ist oft mehr Kabarett als Theater, aber vor allem ein Abend, an dem Polt wieder ganz in seinem Element ist.

Bilder: Maurice Korbel

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