The Five Devils

Eines der Festival-Highlights versteckte sich im Mai 2022 in Cannes in der Nebenreihe „Quinzaine des réalisateurs“: Nach ihrem Debüt „Ava“, das 2017 auch zum 14films-Festival eingeladen war, gelang Léa Mysius ein mitreißender, bildstarker Film, der mit den Genres Mystery- und Familien-Drama sehr gekonnt spielt.

Im Zentrum des Films steht das Mädchen Vicky (Sally Dramé), die wegen ihrer schwarzen Hautfarbe und ihrer Afrolook-Frisur mehrfach rassistisch attackiert wird. Sie hat einen außergewöhnlichen Geruchssinn und kann sich mit dieser Marcel-Proust-Anspielung und außergewöhnlichen Gabe nicht nur in die Vergangenheit zurückversetzen, sondern auch in Situationen vor ihrer Geburt.

Damit taucht Vicky in das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen ihrer Mutter Joanne (Adèle Exarchopoulos) und deren damaliger Partnerin Julia (Swala Emati), die aus der provinziellen Enge der französischen Alpen nach Marseille flüchten wollten, sowie ihrem Vater Jimmy (Moustapha Mbengue) und der nach einem Unfall entstellten Nadine (Daphne Patakia) ein.

Meisterhaft entfaltet Mysius, wie das labile Konstrukt in einem großen Brandunglück implodierte. Nur Julia konnte das zeitreisende Mädchen Vicky wahrnehmen, sie wird immer unsicherer und von den  anderen für wahnsinnig erklärt. Nach der Verhaftung der Geliebten entschied sich Joanne für deren Bruder Jimmy, und ein kleinbürgerliches Leben als Schwimmtrainerin mit Mann und Kind.

Alte Wunden brechen auf, als Julia nach Jahren wieder in dem Bergdorf auftaucht. Bei einem tollen Karaoke-Duett mit Joanne zum 1980er Jahre-Hit „Total eclipse of the heart“ wird die Leidenschaft spürbar, die das Paar früher füreinander verband.

Geschickt hält die junge Regisseurin die Balance zwischen den Genres, verknüpft übersinnliche Mystery-Motive mit dem handfesten Familien-, Eifersuchts- und Identitätsfindungsdrama zu einem vielschichtigen Kino-Erlebnis.

Erst knapp ein Jahr nach der Premiere kam „The Five Devils“ (Original: „Les cinq diables“) am 13. April 2023 in den deutschen Kinos. Von Léa Mysius ist nach diesem zweiten, erstaunlich reifen Werk noch einiges zu erhoffen.

Bilder: ©Trois Brigands Productions

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