All the Beauty and the Bloodshed

Eine ungewöhnliche Entscheidung traf die Jury im September 2022 in Venedig: der Goldene Löwe ging an keinen der hochkarätigen Spielfilme, sondern an die Doku-Collage „All the Beauty and the Bloodshed“ von Laura Poitras.

Politische Aktivistin porträtiert politische Aktivistin und Künstlerin, könnte man diese zwei Kino-Stunden zusammenfassen. Voller Sympathie und ohne den Hauch kritischer Nachfragen überlässt Poitras der Fotografin Nan Goldin den Raum, ihr Leben und Wirken darzustellen. In zahlreichen Archivschnipseln und vielen Zeitsprüngen geht es vom Aufwachsen in einem Suburb von Washington, D.C. und Vorwürfen an die Eltern, denen sie die Schuld am frühen Tod der älteren Schwester Barbara gibt über die wilden Jahre im New Yorker Underground der späten 1970er Jahre, wo sich die bisexuelle Frau als Sexarbeiterin im Bordell durchschlug, bis zum Durchbruch als gefeierte Künstlerin mit der Dia-Serie „The Ballad of Sexual Dependency“ und Dokumentaristin des Massensterbens in der AIDS-Krise der 1980er/frühen 1990er Jahre.

Im Stil der damaligen „Act up“-Proteste erreichten sie und ihre Mitstreiter von „P.A.I.N.“, dass die Sackler-Familie vor Gericht einem Vergleich nach Klagen gegen ihr Schmerzmittel Oxycontin zustimmen musste. Der Name dieser Mäzenaten-Familie wurde von einigen weltbekannten Museen aus den Ausstellungsräumen getilgt: diesen Sieg feiern die selbst einige Jahre opiatabhängige Goldin und ihre Mitstreiter am Ende dieser assoziativ und subjektiv mäandernden Collage.

Bei aller Sympathie für die berechtigten Anliegen bietet Poitras, die 2014 mit dem Biopic „Citizenfour“ über Edward Snowden auffiel, einen zwar inhaltlich über weite Strecken interessanten, aber doch nicht A-Festival-Hauptpreis würdigen Film.

Bild: Plaion Pictures

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