Strawinsky

Mit einem kraftvollen, energiegeladenen Strawinsky-Doppelabend lässt das Staatsballett diese Interims-Spielzeit ausklingen, bevor Christian Spuck die Intendanz übernimmt.

Im unverkennbaren Marco Goecke-Stil zappeln und zucken die Ensemble-Mitglieder um „Petruschka“, eine Puppe auf dem Jahrmarkt. Im Februar sorgte eine Premieren-Besprechung von FAZ-Tanzexpertin Wiebke Hüster weit über die Welt der Tanz-Insider hinaus für einen Eklat. Der Choreograph ärgerte sich so sehr über einige Formulierungen, in denen Hüster kritisierte, warum sie mit seinem Stil wenig anfangen kann, dass er ihr im Foyer während der Pause Hundekot ins Gesicht schmierte.

Einige Häuser beendeten die Zusammenarbeit mit Goecke, einem der gefragtesten und erfolgreichsten Choreographen der vergangenen Jahre. Die Berliner Interims-Intendantin Christiane Theobald hielt an dem Plan fest, Goeckes Zürcher „Petruschka“-Choreographie von 2016 im Juni in Berlin zur Aufführung zu bringen. Die Einstudierung übernahm allerdings Nicole Kohlmann.

Mit der Puppe im Zentrum der Jahrmarkt-Szenerie passt Strawinskys „Petruschka“ sehr gut zu den abgehackten Goecke-Bewegungen, die Signatur seines Stils sind. Im wie üblich sehr ausführlichen Programmheft beleuchtet die finnische Tanzhistorikerin Hanna Järvinen die weiteren Schwierigkeiten, die dieses Stück aus dem Jahr 1911 bei den Proben aufwarf. Die Figur des „Mohren“ mit ihren rassistischen Stereotypen und die Tradition des Black-Facing sind im Jahr 2023 nicht mehr vermittelbar, deswegen spielt er in der sehr abstrakten Choreographie von Goecke keine Rolle mehr.

Nach Verhandlungen mit der Pina Bausch Foundation gelang es dem Staatsballett, die Rechte am Wuppertaler Meisterwerk „Das Frühlingsopfer“ (1975) zu bekommen. Auf dem Torfmull, der in der Pause hereingekarrt wurde, wird jeder Schritt zur Belastung. Die Frauen des Ensembles werden zu den aufwühlenden Strawinsky-Klängen von ihren männlichen Kollegen verfolgt und in die Ecke gedrängt. Diese Choreographie eines sehr archaischen Geschlechterkampfs wurde von der Japanerin Azusa Seyama-Prioville einstudiert und von Tänzer*innen aus der Uraufführung begleitet.

Sichtlich mitgenommen von dieser strapaziösen Doppel-Choreographie wurde das Staatsballett gefeiert. Nach den drei Vorstellungen in dieser Woche folgen nur noch zwei bereits ausverkaufte Abende in der Staatsoper, in der kommenden Spielzeit ist keine Strawinsky-Wiederaufnahme geplant.

Bilder: Yan Revazov

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