Gehen und Bleiben

Fast drei Stunden dauert die essayistische Spurensuche von Volker Koepp. Er folgt den Lebensstationen von Uwe Johnson und streift durch die mecklenburgischen Landschaft, die den Schriftsteller geprägt hat.

Oft recht weitschweifig sind die Antworten der naturgemäß meist älteren Herrschaften: zum Teil sind es enge Weggefährten, manchmal auch nur Menschen, deren Biographie sich nur punktuell mit Johnsons Biographie kreuzte. Die Montage der Interviews läuft manchmal Gefahr, dass die Ausführungen und Beobachtungen nur noch dahin plätschern und ausfransen.

Die verschiedenen Phasen der Pandemie und der russische Angriffskrieg begleiteten die langen Dreharbeiten und werden mehrfach ebenfalls mitthematisiert. Ein Beispiel für die Gründlichkeit, mit der Koepp arbeitet, der in den 70ern und 80ern DEFA-Dokumentarfilmer und mit seinen Essays über osteuropäische Landschaften häufiger Gast im Berlinale Forum war, ist die Einleitung einer Frage: Im Februar 2023 erlebten wir ja nicht den Beginn eines russischen Überfalls auf die Ukraine, wie es das mediale Trommelfeuer so oft suggeriert, sondern die Ausweitung eines jahrelang eingefrorenen Konflikts.

Viel Geduld erfordert dieser lange Film. Die meisten Gesprächspartner, deren Namen erst zum Schluss eingeblendet werden, sind nur Insidern bekannt, auch Johnsons Werk ist vielen Jüngeren nicht vertraut. Peter Kurth, der auch in Mecklenburg aufgewachsen ist, trägt mit seiner markant-kratzigen Stimme Ausschnitte aus Romanen und Briefwechseln vor, ganz zu Beginn sehen und hören wir auch Johnson selbst in einem Archiv-Ausschnitt.

Ohne eigenen Bezug zum Autor und zur Landschaft rauscht der Film-Essay vorbei. Umso mehr fieberten meine Sitznachbarn. Das ältere Ehepaar kommentierte die Stationen („Ah, das ist doch Dein altes Gymnasium“) und freute sich über bekannte Gesichter („Ach, die Hanna!“).

„Gehen und Bleiben“ feierte Premiere im Forum der Berlinale 2023. Kino-Start: 20. Juli 2023

Bild: Salzgeber

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