Mit einer erlesenen Besetzung trumpft Michele Placidos Historiendrama „Der Schatten von Caravaggio/L´ombra di Caravaggio“ auf: den Barockmaler verkörpert der Italiener Riccardo Scamarcio als rastlosen Künstler, der zwischen Adelshäusern, Kardinälen und Outlaws hin und her sprang. Seine bedeutendste Mäzenin, die Gräfin Costanza Colonna, die bis zuletzt die schützende Hand über ihn hielt, spielt keine Geringere als Isabelle Huppert. Die Titelrolle des „Schatten“, der in geheimer Mission über das Vorleben von Caravaggio recherchieren soll, übernimmt mit Louis Garrel einer der spannendsten französischen Schauspieler.
„Der Schatten von Caravaggio“ vermeidet es, den ausgelatschten Pfaden eines klassischen Biopics zu folgen und die Lebensstationen von Michelangelo Merisi, wie er mit bürgerlichem Namen, hieß, abzuhaken. Stattdessen konzentriert sich der Film ganz auf die letzten Jahre in Caravaggios Leben zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Verbürgt ist, dass er nach ersten Erfolgen in Ungnade gefallen war und nach einer Verurteilung wegen Mordes an einem römischen Kollegen im Königreich Neapel Unterschlupf suchen musste. Mit einem Gnadengesuch wandte er sich an den Papst.
In der römische Kurie war man hin und her gerissen, wie so oft stellte sich auch bei Caravaggio die Frage: Ist es möglich, zwischen Künstler und Werk zu trennen? Im Film hören wir immer wieder kirchliche Würdenträger, die von seiner Kunst schwärmen und Bilder, die Anstoß erregten, wenigstens für ihre privaten Sammlungen zu retten. Der Vorwurf des Vatikans lautete: Caravaggio verkehre nicht nur mit Prostituierten und Kleinkriminellen aus dubiosen Milieus, sondern er nutze sie auch als Modelle für seine großformatigen Heiligenbilder und Bibelszenen. „Eine Hure als Madonna“, wie die Süddeutsche Zeitung ihre Film-Rezension überschrieb, ließ die Emotionen natürlich hochkochen.
Der namenlose Ermittler, den Garrel spielt, ist nicht verbürgt, aber ein interessanter Kunstgriff. Wie in einem Thriller kann er seine Verhörmethoden anwenden. Er wird mit den unterschiedlichen Perspektiven seiner Gönner und Gegner konfroniert und muss sich ebenso wie das Publikum seinen eigenen Reim darauf machen. In Rückblenden wird der schillernde Charakter und ausschweifende Lebensstil des Künstlers erfahrbar, wesentliche Werke werden in Verhör-Reenactments vorgestellt.
Die Todesursache, an der Caravaggio mit nur 38 Jahren starb, ist unklar. Hier nehmen sich Placido und seine beiden Drehbuch-Co-Autoren Sandro Petraglia und Fidel Signorile ihre künstlerische Freiheit, ihre Version fortzuschreiben.
Der Film lebt vor allem von der Konfrontation seines Hauptdarsteller-Trios in den Verhörszenen, die den ansonsten über zwei Stunden auch mal recht langatmigen Film aus dem üblichen Künstler-Biopic- und Historien-Drama-Genre herausheben.
„Der Schatten von Caravaggio“ wurde vor einem Jahr beim Filmfestival in Rom vorgestellt und kam am 12. Oktober 2023 in die deutschen Kinos.
Bilder: © Wild Bunch Germany 2023