Love Boulevard

Nach Querverbindungen zwischen den so unterschiedlichen Welten von Sexarbeiterinnen und Schauspielerinnen zu suchen, haben sich die belgische Regisseurin Lies Pauwels und ihr Team am Berliner Ensemble vorgenommen.

Vier Prostituierte, die alle nur mit ihren Künstlerinnennamen (Violet Black, Mare D´Agosto, Golden Gai, Ivy Grey) treffen auf drei Schauspielerinnen verschiedener Generationen: Philine Schmölzer, die nach dem Studium an der HfS Ernst Busch am BE ihr erstes Engagement antrat, Kathleen Morgeneyer, die eine der prägenden Spielerinnen an Uli Khuons DT war und nun ein paar Meter weiter wechselte, sowie Josefin Platt, die an vielen großen Häusern spielte und ihre Karriere mit kleineren Rollen ausklingen lässt. Ihr gehört auch der erste Auftritt des Abends mit einem kleinen Solo über das Altern, die ausbleibenden Engagements und die Einsamkeit. Leider musste sie krankheitsbedingt heute passen, Corinna Kirchhoff rettete als Einspringerin mit Textbuch die Vorstellung, konnte und wollte die Songs aber nicht übernehmen.

Die knapp zweistündige Stückentwicklung kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, die Spielerinnen wechseln ihre Kostüme (Johanna Trudzinski) für fast jede Szene. Sie spielen mit den Klischees der Sexarbeiterinnen, präsentieren ihre Strap-Ons, räkeln sich an der Pole, entblättern sich aus ihren glitzernden, knappen Outfits. Das ist sicher ironisch gemeint, landet aber oft gefährlich nah an der bloßen Reproduktion der Klischees.

Mit diesen Fragen hält sich der „Love Boulevard“ aber nicht weiter auf, sondern das Ensemble formiert zum nächsten Song, Solo oder Gruppen-Act. Zwischendurch gelingen auch ein paar schöne Nummern, Philine Schmölzer zuckt als Sex-Roboter-Puppe, Kathleen Morgeneyer brüllt sich durch eine Litanei von Abkürzungen diverser Spielarten. Sie ist tatsächlich die größte Überraschung: Kaum eine Spielerin auf Berlins Bühnen pflegt die leisen Töne so wie sie, legt ihre Figuren so zart und feingliedrig an. So laut schreiend, brüllend und quer über die Bühne rasend wie bei ihrem BE-Einstand habe ich sie nebenan am DT nie erlebt.

Mit einer Elvis-Nummer und Kindergeburtstags-Atmosphäre geht die Stückentwicklung nach knapp zwei Stunden zuende. Aus dem Thema Sexarbeit und ihrer gesellschaftlichen Nicht-Anerkennung wäre noch wesentlich mehr herauszuholen gewesen, aber das Ensemble tänzelt nur über die Oberfläche. Bei allem Unterhaltungswert bleibt der Erkenntnisgewinn gering.

Bilder: JR Berliner Ensemble

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