Berlin, Du coole Sau!

Wegen der Corona-Lockdowns musste die große Zeitreise-Revue, die Sharon Brauner und das tipi am Kanzleramt planten, mehrfach verschoben werden, bis sie im mit nachgeholten Premieren vollgestopften Sommer 2021 endlich doch losgehen konnte. In dieser November-Woche gibt es fünf Wiederaufnahme-Shows.

Unterstützt vom Capital Dance Orchestra beschwören Sharon Brauner (Idee/Regie/Gesang) und ihre Duett-Partnerin Meta Hüper das Flair der 1920er Jahre: von Friedrich Hollaenders „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ aus Josef von Sternbergs/Marlene Dietrichs „Der blaue Engel“ über eine Hommage von Lola La Tease an die Burlesque-Tänzerin Anita Berber bis zum von den Nazis verbotenen Swing reicht der Bogen bis zur Pause.

In der zweiten Stunde folgen auf das nostalgische „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“, das in den Versionen von Marlene Dietrich und Hildegard Knef berühmt wurde, die großen Berlin-Hymnen von Ideal und „Dickes B!“ von Seed.

Bild: Jörn Hartmann

Da eine Aneinanderreihung der Songs allein etwas dünn wäre, wurde Ades Zabel, bekannt aus der Kreuzberger Travestie- und Kleinkunstszene, als Toilettenfrau Adele mit Berliner Schnauze engagiert. In kurzen, stets sehr verqualmten Sketchen kommentiert Zabel das Geschehen aus der Sicht einer Figur mit sehr schlichtem Gemüt. Achselzuckend geht sie über das plötzliche Verschwinden der jüdischen Nachbarn hinweg und auch nach dem Mauerbau ist ihr Blick betont unpolitisch. Für ihren Fleischermeister zieht Adele nach Pankow, lässt sich nach dessen Tod heimlich im Kofferraum zurückschmuggeln und nimmt ihren Platz vor den Toiletten wieder ein. Von der Eisbahn im West-Berliner Europacenter über Techno-Jünger der Loveparade verschlägt es sie bis ins Berghain. Adeles Gags bleiben oft recht platt. Die Stars des Abends sind natürlich die Ohrwurm-Songs und die Stadt, die sie besingen.

Bild: Astrid Nippoldt

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