Im letzten Sommer

Eigentlich hatte sich Catherine Breillat, die große Provokateurin des franzöischen Kinos, die zur Jahrtausendwende mit „Romance“ Aufmerksamkeit erregte, schon vor 10 Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Doch ihr Produzent Saïd Ben Saïd machte ihr ein Remake des skandinavischen Dramas „Königin“ von May el-Toukhy schmackhaft.

Kurz vor ihrem 75. Geburtstag präsentierte Breillat ihre Amour fou „L’été dernier/Im letzten Sommer“ auf der großen Festival-Bühne im Wettbewerb von Cannes. Der Plot spielt mit den Klischees dieses Genres und mit den Klischeevorstellungen über das französiche Kino: die erfolgreiche, gutsituierte Anwältin Anne (Léa Drucker) ist mit einem wesentlich älteren, nicht sonderlich attraktiven Manager zusammen, mit dem sie nur noch gewohnheitsmäßigen, langweiligen Sex hat. Im Job hat sie alles unter Kontrolle, lotst ihre Mandantinnen durch die Verhöre und Prozesse, privat geht es mit den beiden adoptierten Töchtern in der Vorstadt-Villa recht idyllisch zu. Freundschaften oder engere Beziehungen pflegt sie nur zu ihrer Schwester.

In diese übersichtliche Welt bricht der schlaksige, meist halbnackt posierende Lockenkopf Théo (Samuel Kircher in seiner ersten Rolle) ein: ihr Stiefsohn geriet auf kriminelle Abwege und landet in der Villa seines Vaters, hat aber keine Ambitionen, sich in das bourgeoise Gefüge zu integrieren. Stattdessen verführt er die wesentlich ältere Stiefmutter, so dass sich beide in einem Geflecht aus Lust, Lüge, Machtspiel und Verrat verstricken.

Dieses Alterswerk ist weit von der Radikalität früherer Breillat-Filme entfernt und macht sich einen Spaß, mit den Konventionen und Erwartungshaltungen an eine Amour fou-Erzählung zu spielen. In Cannes ging der Film zurecht leer aus, da er zwar durchaus interessant, aber doch weit von der Qualität meisterhafter Filme wie „Anatomie eines Falls“ entfernt ist. Nach der Deutschland-Premiere beim Filmfest Hamburg läuft „Im letzten Sommer“ diese Woche bei der Französischen Filmwoche. Der Kinostart ist für 11. Januar 2024 geplant.

Bilder: © Alamode Film

 

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