Von einer emotional verwahrlosten Frau an einem der tristesten Orte der niedersächsischen Tiefebene erzählen Dominik Graf und seine Drehbuchautorin Beate Langmaack in ihrer kleinen Einsamkeitsstudie „Mein Falke“.
Recht klischeehaft wird die Figur von Inga Ehrenberg (Anne Ratte-Polle), forensiche Biologin in Wolfsburg, eingeführt: Ihr Mann hat sie für eine Jüngere verlassen, ihr Vater (Jörg Gudzuhn) macht ihr in recht rüdem Ton klar, dass er sich vernachlässigt und genauso einsam wie sie fühlt. Betrunken sitzt sie mit einem Teller Pasta allein in ihrer Wohnung und grölt Karaoke-Pop-Songs mit. Der titelgebende Falke Giovanni wird ihr von einem Züchter anvertraut: ebenso wie Inga kommt das Tier mit seinen Artgenossen nicht zurecht und soll von ihr aufgepäppelt werden. Langsam zeigt Inga menschliche Regungen: wie sie dem Greifvogel ihr Herz ausschüttet und von ihrer Trennung erzählt, ist eine der schönen Szenen dieser TV-Produktion.
Dass „Mein Falke“ nicht in Rührseligkeit und Klischees versinkt, ist vor allem Anne Ratte-Polle zu verdanken. Mit lakonischem Humor schnoddert sie sich durch die Rolle der Inga, die zunächst niemand an sich ranlässt und langsam doch auftaut. Bei all den bedrückenden Themen von Trauer, Einsamkeit und Schmerz verleiht Ratte-Polle dem Film eine Leichtigkeit, ohne ihre Figur zu verraten.
Um diese schwierige Tochter-Vater-Beziehung weben Langmaack und Graf eine ganze Reihe anderer Motive: von Sterbehilfe über eine Babyleiche bis zu den Knochen von niederländischen NS-Zwangsarbeitern, die in Wolfsburg für die Auto- und Rüstungsindustrie schuften mussten, weben Drehbuchautorin und Regisseur ein ganzes Netz lose verbundener Handlungsfäden ihrer Studie über die Einsamkeit ihrer Hauptfigur.
Im Oktober wurde „Mein Falke“ beim Filmfest Hamburg präsentiert, anschließend im November/Dezember bei den koproduzierenden Sendern arte und NDR ausgestrahlt, dort ist der TV-Film auch weiter in den Mediatheken abrufbar.
Bild: NDR/Frédéric Batier