Saltburn

Als Außenseiter-Drama in der Welt der britischen Snobs scheint „Saltburn“, der zweite Film der  britischen Regisseurin und Schauspielerin Emerald Fennell zu beginnen. In der ersten Stunde von „Saltburn“ erleben wir die tastenden Versuche von Oliver Quick (Barry Keoghan), der es mit einem Stipendium an die Oxford University geschafft hat, in der Welt der Reichen und Schönen Fuß zu fassen. Ihm fehlen die Lässigkeit, mit der seine Studienkollegen ihr ererbtes Geld verprassen, und der laszive Glamour, mit dem Felix Catton (Jacob Elordi) alle Blicke auf sich zieht. Schmachtend richten sich die Blicke von Ollie und die Kamera von Linus Sandgren auf den Aristokraten-Spross, der in dieser Welt die Fäden zieht.

Langsam kommt es zu einer homoerotischen Annäherung der beiden und Oliver erhält eine Einladung für die Sommerferien auf das Anwesen Saltburn, wo Felix und seine überspannte Familie mit ihren zahlreichen Bediensteten leben. Im langen Mittelteil bleibt lange unklar, wer hier wen manipuliert: Felix seinen Toyboy Oliver, an dem er jedoch bald das Interesse verliert? Oder Oliver die Aristokraten-Sippe, denen er vorspiegelte, dass er aus dem Elend des Alkoholiker-Prekariats stamme?

Wie schon in ihrem Debütfilm „Promising Young Woman“ liebt es Fennell, den Plot Haken schlagen zu lassen und nimmt dabei manch dramaturgisch etwas holprige Wendung in Kauf. Zu einer ersten Konfrontation kommt es bei einer Karaoke-Einlage, zu der Farleigh (Archie Madekwe), der Cousin und Kommilitone von Felix, den Neuankömmling Oliver nötigt, um ihn vorzuführen. Mehr und mehr tritt das polysexuelle Wesen von Oliver in den Vordergrund, die Szene, in der er das Badewasser seines Angebeteten schlürft, wurde schon jetzt mit der Pfirsich-Episode aus „Call me by your name“ verglichen.

Die Laszivität, mit der Fennell ihre Figuren agieren lässt, gipfelt in einer Szene, die dem prüden Publikum in den USA schon die Schamröte ins Gesicht trieb: wie Barry Keoghan als Oliver zu „Murder on the Dancefloor“ nackt durch das leere Anwesen tanzt, ist ein großes Finale eines bemerkenswerten Films. „Die graue Maus verwandelt sich in einen fein gemeißelten Adonis, der am Schluss triumphal durch das leere Anwesen tänzelt“, schrieb Andreas Busche im Tagesspiegel.

Fennell bewies auch mit ihrem zweiten Film, dass sie frischen Wind und einen frechen Blick ins anglo-amerikanische Kino bringt. Auch wenn der Mittelteil dramaturgisch noch einige Schlaglöcher hat, gelingen ihr erneut ikonische Szenen, die im Gedächtnis bleiben.

„Saltburn“ lief im September 2023 auf den Festivals in Telluride und Toronto, eröffnete anschließend das London Film Festival und ist seit 22. Dezember 2023 auf dem Streaming-Portal Amazon Prime. Für die Golden Globes, die im Januar 2024 vergeben werden, ist Barry Keoghan als bester Hauptdarsteller und Rosamund Pike als beste Nebendarstellerin in der Rolle von Felix´Mutter Elspeth Cotton nominiert.

Bilder: MGM/Amazon Studios

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