Jahresendzeitprogramm 2023

Statt der Kanzlerin a.D., die viele Jahre höchstpersönlich durchs Programm führte, moderieren zwei Vizes in einer Doppel-Conférence das traditionelle „Jahresendzeitprogramm“: Die eine, Franziska Giffey (Christoph Jungmann), musste nach der Wahlwiederholung das Amt der Regierenden Bürgermeisterin abgeben. Als Wirtschaftssenatorin trauert sie in einem tollen Solo um die gute, alte Hertha, die nach größenwahnsinnigen Träumen vom Big City Club ebenso wie Giffey nur noch die Nummer 2 in der Stadt ist. Der andere ist Robert Habeck (Hannes Heesch), der gramzerfurcht auf ein anstrengendes Jahr zwischen Heizungsgesetz-Debakel und Hallig-Fähren-Mob zurückblickt und in seinen langen Anmoderation unsanft von Horst Evers gestoppt werden müsste, weil er sich sonst wohl noch ewig an seiner sprachlichen Brillanz berauscht hätte.

In einem an Höhepunkten reichen Abend bietet das Duo Heesch/Jungmann auch die wohl beste Nummer dieser kabarettistischen Rückblicks-Revue: Jungmann brilliert als Söder, der seinen Ehrgeiz für eine erneute Kanzlerkandidatur durchschimmern lässt und beim gönnerhaften Coaching seinen Rivalen Friedrich Merz, den Vorsitzenden der Schwesterpartei, alt aussehen lässt. Merz geriet zuvor schon bei seiner Suche nach einem freien Zahnarzt-Termin an einen Syrer in Kreuzberg, der seine populistischen Wahlkampf-Parolen genüsslich auseinandernahm.

Wie üblich gab es zwischen diesen Politparodien auch wieder die leisen und skurrilen Töne: Bov Bjerg phantasiert sich in eine Begegnung auf der Sonnenallee, wo er Mühe hat, zwischen bärtigen Islamisten und Start-up-Hipstern zu unterschieden, die anscheinend beide aus einem Tunnelsystem herausgespült werden. Horst Evers ringt mit ChatGPT und anderen KI-Formen, Manfred Maurenbrecher findet sich am Klavier plötzlich in einer AfD-Versammlung wieder.

An starken Nummern mangelt es auch bei dieser 2023er Ausgabe des Jahresendzeitprogramms, die im alten Jahr wie gewohnt im Kreuzberger Mehringhoftheater begann und in der ersten Woche des neuen Jahres in den Berlinale-Palast am Potsdamer Platz hinüberwechselte, wo in wenigen Wochen wieder die Bären vergeben werden und die Komödie am Ku’damm ein Übergangs-Quartier gefunden wird. Ein letzter Höhepunkt der Show war wieder mal das traditionelle Schluss-Medley diesmal zu Melodien von Harry Belafonte-Evergreens, in dem sich das Quintett über den inflationären Gebrauch des Adjektivs „unfassbar“ lustig machte und r die aus der Zeit gefallene Retro-Show „Wetten, dass?“ aufs Korn nahm.

Bild: David Baltzer, Agentur Zenit

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