Karl May

Ins Zentrum einer Jahrmarktskulisse hat Leonard Neumann einen Bullen-Torso hineingebaut: Martin Wuttke steht am Joystick, er lädt Ann Göbel und Oscar Olivo, die das Trio des Abends ergänzen, zum Rodeo ein und plaudert aus seinem reichen Anekdotenschatz, zum Beispiel wie er auf dem Rastplatz Geiselwind zum Vergnügen der Trucker kleine Kinder vom Rodeo schleudert.

Die dicken Western-Schinken, die in den 1960ern mit Pierre Brice verfilmt wurden und jahrzehntelang im TV wiederholt wurden, des titelgebenden sächsischen Autors, der im 19. Jahhrhundert über die „edlen Wilden“ und den Kolonialisierung Nordamerikas fabulierte, sind der Ausgangspunkt für assoziative, oft sehr sprunghafte Streifzüge durch die amerikanische Kulturgeschichte. Wuttke spielt neben dem Rodeo-Chef wie immer vor allem Wuttke. Olivo, der dem Berliner Publikum aus mehreren Inszenierungen Christian Weises am Gorki Theater bekannt ist, gibt einen leicht verwirrten Hotelgast, der in den Hollywood-Klassiker „Das Schweigen der Lämmer“ hineinzappte, und später einen Psychiater. Ann Göbel spielt eine Frau, die sich an prägende Kindheitserlebnisse erinnert, und sich an diesen wendet.

Auf einen roten Faden haben Enis Maci und Mazlum Nergiz, das Regie-Duo dieses Abends auf der Hinterbühne des Großen Hauses am Rosa Luxemburg-Platz, bewusst verzichtet. Ab und zu gibt es Momente zum Schmunzeln, aber die 90 Minuten sind so unfokussiert, dass sie doch einige Längen haben. Immerhin wird nicht ganz so viel gequalmt wie zu befürchten war, da die Volksbühne einen entsprechenden Warnhinweis sogar auf die Tickets druckte.

Die „Karl May“-Stückentwicklung kam am dritten Adventswochenende 2023 als vorweihnachtliche Fingerübung heraus und fügt sich in die „Prater Studios“ ein. An diesem Wochenende sprangen Wuttke und Co. ein, da sich die nächste Pollesch/Hinrichs-Premiere krankheitsbedingt um mehrere Wochen auf den 11. Februar 2024 verschiebt.

Bild: Luna Zscharnt

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