Lulu

Dieser Theater-Abend baut auf eine Idee und einen Schauspieler: Die Titelrolle aus Frank Wedekinds Tragödie einer Frau, die die Männer verführt und von ihnen gedemütigt wird, spielt ein Mann. Lange suchte Daniela Löffner, die während Uli Khuons Intendanz auch regelmäßig am DT Berlin inszenierte, nach dem passenden Schauspieler für diese Rolle.

Mit Simon Werdelis hat sie eine gute Wahl getroffen. Lasziv schlängelt er durch die mehr als 3,5 Stunden: kokett, nur scheinbar naiv, mit hintergründigem Lächeln und über weite Strecken nackt. Der gesamte Abend ist auf diese männliche Lulu ausgerichtet.

Simon Werdelis als Lulu

Bis auf die geschlechterverkehrte Besetzung im Zentrum bleibt der Abend jedoch relativ konventionell: die Männer und die lesbische Gräfin Geschwitz (David Kosel) benutzen Lulu, Szene reiht sich an Szene. Stilistisch unterscheidet sich, wie Matthias Schmidt in seiner begeisterten Nachtkritik, nicht besonders von Peter Zadeks legendärer Hamburger „Lulu“ mit Susanne Lothar, die fast vier Jahrzehnte auf dem Buckel hat und eine der Archiv-Perlen war, die im Lockdown gestreamt wurden. Zwangsläufig ergeben sich vor allem in den ersten zwei Stunden bis zur Pause einige Längen und Redundanzen, die dazu führen, dass sich eine Nachbarin zwischendurch mehr mit ihrer WhatsApp-Korrespondenz als dem Bühnengeschehen beschäftigt.

Variantenreicher wird die letzte Stunde: zwischen Rap-Einlagen und dem Mord an Lulu auf Kosels Klavier werden Aktienkurse im Stil des Börsen-TV eingeblendet und andere Stilrichtungen angedeutet. Ärgerlich ist der beißende Nikotin-Gestank, der in mehreren Passagen in den Saal waberte. Ähnlich unangenehm fiel nur die bereits erwähnte Zuschauerin auf, die nach penetranten Störaktionen und der Bitte, diese zu unterlassen, schnippisch reagierte und nicht die Spur eines Schuldbewusstseins zeigte. Sicher: Die Unsitte, mit hell erleuchteten Handy-Displays die Nachbarn und die Spieler auf der Bühne zu stören, ist oft zu erleben. Aber die Aggressivität und Borniertheit dieser Zuschauerin ist doch ein Tiefpunkt und an vielen anderen Theaterabenden so nicht erlebt. Ein anekdotischer Einzelfall, aber vermutlich leider auch symptomatisch für eine Grundhaltung, die sich tief in das Bürgertum Dresdens hineingefresssen hat und für die Landtagswahl im Herbst Schlimmes befürchten lässt.

Bilder: Sebastian Hoppe

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