Corps extrêmes

In einem Video-Einspieler erleben wir den französischen Hochseilartisten Nathan Paulin, wie er über eine Gebirgsschlucht balanciert. Aus dem Off kommentiert er seine Aktion, philosophiert über seine Motivation, sich diesem extremen Nervenkitzel zu stellen.

Mit neun weiteren Akrobat*innen und Extremsportler*innen, darunter auch Nina Caprez, ehemalige Schweizer Meisterin im Sportklettern, folgt eine einstündige Leistungsschau ihres Könnens auf der Slackline und an der Boulderwand, die im Haus der Berliner Festspiele aufgebaut wurde, garniert mit viel Paarakrobatik. Unterbrochen wird die Live-Show mit weiteren Video-Einspielern und meditativem Nabelschau-Off-Kommentar.

Ähnliche akrobatische Einlagen sieht man in Berlin regelmäßig im Chamäleon, das in den Hackeschen Höfen allerdings für eine derart großformatige Performance zu klein wäre, wie sie Rachid Ouramdane mit „Corps extrêmes“ inszeniert. Der Direktor des Pariser Chaillot – Théâtre national de la Danse brachte diese Arbeit in Frankreich bereits kurz nach den Corona-Lockdowns im Sommer 2021. Damals mag diese Performance noch eine andere Wucht entfaltet haben, als die Künstlerinnen und Künstler nach langen Monaten der Stream-Isolation den gemeinsamen Theaterraum zurückeroberten.

Bei dem dreitägigen Gastspiel dieser Deutschland-Premiere ist zwar die Körperbeherrschung der zehn Sportler*innen beeindruckend, künstlerisch bleibt dieser nur eine Stunde kurze Cirque Nouveau-Abend irgendwo zwischen Leistungsschau und raunendem Off-Kommentar stecken. Ein klarer kuratorischer roter Faden zeichnet sich in der ersten „Performing Arts Season“ der Berliner Festspiele nicht ab. Jeder einzelne Abend ist mehr oder minder hübsch anzusehen, die Reihe springt jedoch wild zwischen Genres und Kunstgattungen hin und her. In dieser Woche geht es mit politischen Dokumentartheater von Rimini Protokoll weiter.

Bilder: © Pascale Cholette

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