85 Minuten schnörkellose Vermittlung von Fakten und Hintergründen: „And now Hanau“ von Tuğsal Moğul ist klassisches Dokumentar- und Anklagetheater, das detailliert die Mordserie nachzeichnet, die ein Rechtsextremist am Abend des 19. November 2020 in der hessischen Kleinstadt verübte.
Das Schauspiel-Quartett von den Theatern Münster und Oberhausen, die dieses Stück bei den Ruhrfestspielen im Rathaus Recklinghausen im Mai 2023 zur Uraufführung brachten, braucht nur einen Video-Projektor für Einspieler, einen Tisch und zwei Stühle. Nichts soll vom Wort ablenken, das sachlich, aber mit unerbittlich anklagenden Ton an das Publikum gerichtet ist.
Die Fakten sind nicht neu, das schickt eine Spielerin aus dem Quartett voraus. Aber die Ballung des Versagens der örtlichen Polizei und die Chuzpe der hessischen Landesregierung, mit der offensichtliche Fehler im Untersuchungsausschuss des Landtags schöngeredet und unter den Teppich gekehrt werden sollten, ist und bleibt haarsträubend.
Dieser von einer Gedenkminute unterbrochene Abend ist politisches Recherchetheater, das minutiös die Tat nachzeichnet, rassistische Strukturen klar benennt und aufrütteln will. Wenige Tage, bevor sich das Massaker zum vierten Mal jährt, gastiert „And now Hanau“ am koproduzierenden Gorki Theater: die erste Vorstellung fand im Rathaus Schöneberg statt, zwei weitere Vorstellungen auf der Studiobühne, begleitet von einer Diskussion mit Angehörigen der Mordopfer.
Im Herbst 2024 wurde „And now Hanau“ als eine von drei Arbeiten für den Deutschen Theaterpreis Faust in der Kategorie Beste Inszenierung Schauspiel nominiert, konnte sich jedoch nicht gegen „Antigone“ aus Plauen/Zwickau durchsetzen.
Bild: © Bettina Stöß