Baldiga – Entsichertes Herz

Das Panorama der Berlinale erinnert mit dem Porträt „Baldiga – Entsichertes Herz“ an eine schillernde Figur der West-Berliner Szene der 1980er Jahre. Als Arbeiterkind in Essen aufgewachsen, schlug sich Jürgen Baldiga als Koch und Sexarbeiter auf dem Strich durch, als er in West-Berlin ankam. Bis 30 wollte er den Durchbruch geschafft haben und von seiner Kunst leben können.

Baldiga begann Gedichte und Tagebuch zu schreiben. Eine nicht chronologisch, sondern nach Motiven geordnete Collage aus diesen intimen Texten liest der Ernst Busch-Student Maurice Läbe vor, während wir mit umfangreichem Archivmaterial aus dem Schwulen Museum und von Weggefährten sowie der Schwester Birgit Baldiga, die sich erstmals öffentlich über den älteren Bruder äußert und Einblick ins Familienalbum gewährt, in die Welt von Jürgen Baldiga eintauchen.

Er war voller Neugier auf die gesellschaftlichen Außenseiter, Sex mit Männern beschrieb er als sein Lebenselixier. Bekanntlich brach in jenen Jahren die AIDS-Krise aus, die fast eine ganze Generation tötete. Baldiga war ein genauer Chronist jener Jahre: des körperlichen Verfalls der Todkranken, aber auch der Selbsthilfegruppen, die sich gründeten. Oft fotografierte er aber auch „nur“ sich selbst und seine Liebhaber. Seinen letzten Freund Ulf Reimer kennt das Publikum bereits aus der Doku „Rettet das Feuer“ von Jasco Viefhues, einem DFFB-Abschlussfilm von 2019, in der viele Zeitzeugen ebenfalls auf Baldiga zurückblickten.

Ein ähnlich bedrückendes, aber informatives Zeitdokument ist auch „Baldiga – Entsichertes Herz“, das in der Panorama-Sektion der Berlinale Premiere feierte, die von Manfred Salzgeber gegründet wurde, der wie Baldiga an AIDS starb.

Bilder: Schwules Museum Berlin, Leihgaben Aron Neubert

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