Ulrike Maria Stuart

In eine Zombie-Albtraumwelt haben Regisseurin Pinar Karabulut, ihre Bühnenbildnerin Michaela Flück und Kostümdesignerin Claudia Irro die Elfriede Jelinek-Textfläche „Ulrike Maria Stuart“ verlegt. 2006 hat Nicolas Stemann diesen wie so viele andere Texte der Literaturnobelpreisträgerin uraufgeführt: am Hamburger Thalia Theater, unter der Intendanz von Ulrich Khuon. Natürlich war dieser Abend damals auch in Berlin zu sehen und zum Theatertreffen eingeladen.

Zwei Jahrzehnte später muss Stemann als Co-Intendant zum Ende der laufenden Spielzeit am Schauspielhaus Zürich gehen. Als Interimsintendant folgt ihm ausgerechne Khuon nach, der sich gerade erst vom DT verabschiedete und ebendort inszeniert nun Karabulut die „Ulrike Maria Stuart“ in Berlin, bevor sie in der übernächsten Spielzeit als designierte Co-Intendantin in Stemanns Zürcher Fußstapfen treten wird.

So kuriose Windungen nimmt das Theaterleben manchmal. Genug Zeit über solche Querverbindungen zu sinnieren bleibt in den 70 Minuten dieses kurzen Premierenabends, da sich dort alberner Klamauk an Textfragmente aus den längst vergangenen Zeiten der ersten RAF-Generation reiht. Jelinek versuchte, die Hauptfiguren aus Schillers Königinnendrama mit den beiden bekanntesten Stammheimer Häftlingen, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, kurzzuschließen. Zeithistorische Anekdötchen wie der Besuch von Jean-Paul Sartre im RAF-Knast und Parolen gegen das „Schweinesystem“ werden von der Rampe ins Publikum gesprochen, verhallen jedoch ohne Kontext und Anbindung an die Gegenwart.

Was Karabulut an dem nur noch selten gespielten Jelinek-Text interessiert, der auf die zu seiner Entstehungszeit bereits drei Jahrzehnte zurückliegende „Bleierne Zeit“ in der BRD-Geschichte blickt, oder was sie erzählen will, wird nicht klar. Sie betont zwar im Programmheft-Interview, wie spannend sie es findet, dass vier Frauen und ihre Machtkämpfe im Zentrum stehen. Doch ihr stark gekürztes Jelinek-Kondensat kommt nicht über einen Mix aus kleinen Albernheiten und dem Vorführen altlinker Revolutionsthetorik hinaus.

Die düstere Zombie-Ästhetik mit Regine Zimmermanns Eröffnungs-Monolog, die allein in einem Gefängnis-Kubus eingesperrt ist, erinnert zunächst an die Gothic-Stimmung in Ersan Mondtags Inszenierungen vor fünf Jahren. Sie weicht schnell Slapstick und Klamauk, mit dem das Trio Daria von Loewenich, Caner Sunar und Katrija Lehmann die beiden Protagonistinnen Regine Zimmermann und Abak Safaei-Rad umtänzelt. Dazwischen wirken die O-Töne der RAF-Frauen, ihr Lamentieren über das Scheitern der Revolution oder die Fragmente aus Stefan Austs „Baader Meinhof-Komplex“-Bestseller wie Fremdkörper.

Bild: Eike Walkenhorst

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