Club Amour

Den Abschluss der ersten „Performing Arts Season“ bildete ein Tanz-Klassiker: Pina Bauschs Wuppertaler Klassiker „Café Müller“ war in einer restaurierten Fassung zu erleben. Sehr werktreu taumeln und stolpern die jungen Tänzerinnen und Tänzer durch das Labyrinth an Stühlen, das Rolf Borzik entworfen hat. Die Choreographie erzählt zur klagenden Barock-Musik von Henry Purcell von verzweifelten, einsamen Seelen, die nach Halt und Geborgenheit suchen und sich doch immer wieder verfehlen. Manchmal wird dies slapstickhaft, wenn ein Mann seine Partnerin im Loop immer wieder aus seinen Armen zu Boden fallen lässt. Mittendrin war in der Original-Inszenierung Pina Bausch, ihre Rolle tanzt nun Naomi Brito.

Viereinhalb Jahrzehnte nach der Premiere gibt es die Gelegenheit, mit der Wiederaufführung eines Klassikers als Reise in die Theatergeschichte zu erleben. Nach Bauschs Tod 2009 geriet ihr Ensemble in schwierges Fahrwasser, die Leitung wechselte häufig, seit 2022 führt der Franzose Boris Charmatz die Compagnie. Er ist dem Berliner Publikum von vielen Tanz im August-Gastspielen bekannt und vor allem auch durch die Arbeiten, die in Chris Dercons zu Beginn sehr löchrigem Spielplan während seiner früh abgebrochenen Volksbühnenintendanz im Sommer/Herbst 2017 auf dem Tempelhofer Feld zu sehen waren.

Es zeugt von nicht gerade geringem Selbstbewusstsein, dass Charmatz den Bausch-Klassiker mit zwei eigenen Frühwerken kontrastiert. Vor oder nach einer längeren Umbaupause wird das Publikum auf die Bühne gebeten: auf den drei Ebenen eines großen Stahlgerüsts von Gilles Touyard streifen zwei Tänzer und eine Tänzerin ihre Jogginghosen, behalten nur ein weißes T-Shirt an. Zum vorwärtstreibenden Alternative Rock der Britin PJ Harvey lassen sie ihre Körper zucken und zappeln: jeder für sich allein, isoliert. Als er dieses Stück „Aatt enen tionon“ im Februar 1996 in Frankreich herausbrachte, war Charmatz erst Mitte 20 und tanzte noch selbst mit.

Bild aus „Aatt enen tionon“ mit Olga Dukhovnaya, Némo Flouret, Christopher Tandy: Evangelos Rodoulis

Dies tut er auch beim Berliner „Club Amour“-Gastspiel im 15minütigen Ausschnitt „herses, duo“ aus „herses (une lente introduction)“, das aus dem Jahr 1997 stammt: Johanna Elisa Lemke und er halten sich an den Händen, purzeln dann engumschlungen über den Bühnenboden. Die Suche nach Geborgenheit und Intimität ist auch in diesem kürzesten Teil des Triptychons Thema.

Zu unverbunden stehen die drei Teile aus verschiedenen Zeiten nebeneinander. Das überwiegend ältere Publikum war jedoch dankbar, endlich wieder ein Stück der Ikone Pina Bausch zu sehen: für die einen ein Abend der nostalgischen Erinnerung, für manche andere eine erste Begegnung mit ihrem Werk.

Vorschaubild aus Café Müller: Oliver Look

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