Nachtland

Edelboulevard-Komödie am Kurfürstendamm: die beiden Geschwister Nicola (Genija Rykova) und Philip (Moritz Gottwald) räumen das Haus ihres verstorbenen Vaters auf und finden auf dem Dachboden ein kitschiges Aquarell, das eine Wiener Kirche zeigt. Schnell weg mit dem wertvollen Plunder. Bis die beiden und ihre jeweiligen Partner (Damir Avdic und Eva Meckbach, die für Jenny König eingesprungen ist) die Signatur genauer betrachten: Steht da etwa Adolf Hitler.

Bekanntlich versuchte sich der Kriegsverbrecher und Gewaltherrscher in seiner Jugend mehr schlecht als recht als Kunstmaler in seiner österreichischen Heimat, wurde jedoch an der Hochschule abgewiesen. Das Quartett redet sich im flott geschriebenen Pointen-Pingpong die Köpfe heiß. War Oma die Geliebte von Martin Bormann, einem der engsten Vertrauten in der Entourage des Führers? Sie pflügen durch die Indizien, Philip und Nicola haben Dollarzeichen, als ihnen die schmierig-eloquente Sachverständige (Julia Schubert) in einem Gutachten attestiert: hier handelt es sich um einen echten Hitler, der auf dem Kunstmarkt enorme Summen einbringen wird!

Leider rutscht der knapp 100minütige Abend, den Autor Marius von Mayenburg inszeniert, zu sehr in die Farce. Ein tolles Komödianten-Ensemble ist an diesem Abend versammelt, kann seine Stärken in den immer kolportageartigen Wendungen bis hin zu einem unmoralischen Angebot des Kunstsammlers (Avdic) an die jüdische Ehefrau von Philip (Meckbach anstelle von König). In den ernsthafteren Momenten dieser Diskurskomödie landet „Nachtland“ natürlich auf dem verminten Gelände der Grauzonen zwischen berechtigter Israel-Kritik und Antisemitismus, die schon weit vor dem Hamas-Terror vom 7. Oktober 2023 das deutsch-israelisch-palästinensische Dreiecksverhältnis belasteten.

Die Ansätze waren vielversprechend, das Thema interessant, aber in der Umsetzung überzeugt „Nachtland“ nicht, das seit dem 3. Dezember 2022 im Repertoire des Globe der Schaubühne am Lehniner Platz ist.

Bild: Gianmarco Bresadola

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