Alles ist gutgegangen

Ein Kunstsammler beschließt nach einem Schlaganfall, dass er nicht mehr leben will. Seine Tochter, die den halbseitig Gelähmten in der Klinik füttert, soll ihm bei seinem Suizid helfen. Alles sperrt sich in ihr, aber dieser Dickkopf, als den André Dussolier den bettlägerigen, alten Mann spielt, lässt sich nichts ausreden. Sie recherchiert schließlich einen der Schweizer Vereine, die Sterbehilfe leisten. In Nachbar-ländern wie Frankreich und Deutschland wäre dieser Ausweg gesetzlich verboten.

Sehr düster ist das Thema von François Ozons Film, der im vollgepackten Cannes-Wettbewerb nach den Lockdowns im Juli 2021 Premiere hatte. „Alles ist gutgegangen“ (im Original: „Tout s´est bien passé“) ist der wohl ernsteste Film des französischen Starregisseurs seit „Die Zeit, die bleibt“ (2005). Er basiert auf dem gleichnamigen autobiographischen Roman, den Emmanuèlle Bernheim 2013 über den Suizid ihres Vaters schrieb. Die Schriftstellerin war Ozon lange verbunden, war Co-Drehnbuchautorin einiger seiner besten Filme wie „Swimming-Pool“ (2003). Wie zu lesen war, zögerte Ozon zunächst, als ihm Bernheim den Stoff zur Verfilmung anbot. Erst nach ihrem Krebstod 2017 schrieb er das Drehbuch und machte sich an die Umsetzung.

Vielleicht suchte er den passenden Zugriff für dieses schwere Thema: In aller Drastik schildert die erste Hälfte des Films, wie sehr der alte Mann nach dem Schlaganfall eingeschränkt ist, Kotspuren und verschmierter Speichel werden auch nicht ausgespart. Dussolier hat sichtlich Freude daran, André Bernheim als gebrechlichen Mann zu spielen, der mit kindlicher Freude über seine Scherze kichert, seine beiden Töchter (Sophie Marceau, Géralidine Pailhas) herumkommandiert und fest entschlossen ist, dass dieses Leben für ihn nicht mehr lebenswert ist.

In der zweiten Hälfte bricht Ozon sein Sterbe-Drama mit viel Slapstick. Sitcom-haft sind die Szenen geraten, in denen sich André von seinem homosexuellen Lover verabschiedet, die beiden Töchter nach einer anonymen Anzeige alle Spuren für den geplanten assistierten Suizid vertuschen oder sich der alte Mann über die attraktiven Sanitäter auf seiner letzten Krankenwagen-Fahrt von Paris nach Bern freut. „Alles ist gutgegangen“ ist sicher nicht Ozons bester Film, aber es ist ihm zugute zu halten, dass es ihm gelingt, die Balance zwischen Komik und ernster Auseinandersetzung mit den Themen Sterbehilfe und Altern einigermaßen zu wahren.

Für die Nebenrollen gewann Ozon zwei große Damen des europäischen Kinos: Charlotte Rampling hat kurze Auftritte mit versteinertem Gesicht als längst entfremdete Ehefrau von André, Hanna Schygulla spielt die patent-warmherzige Frau vom Schweizer Sterbehilfe-Verein, die Familie Bernheim durch das Verfahren lotst.

Nach der Cannes-Premiere lief „Alles ist gut gegangen“ Ende 2021 auf der Viennale und bei der Französischen Filmwoche, am 14. April 2022 brachte ihn Alamode in die deutschen Kinos. Zwei Jahre später versteckte ihn das ZDF an Karfreitag 2024 um Mitternacht im TV-Programm, in der Mediathek ist er noch bis 28. April 2024 abrufbar.

Bild: Wild Bunch

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert