Ich Capitano

Sehr drastisch schildert Matteo Garrone das Leid der Flüchtlinge, die sich auf den strapaziösen Weg durch die Sahara und übers Mittelmeer machen, da sie sich ein besseres Leben erträumen. Der italienische Regisseur, der sich mit seinem Drama „Gomorrha“ (2008) über das organisierte Verbrechen einen Namen gemacht hat, spart nichts aus, was seinen Interviewpartnern an Grausamkeiten begegnete: von der Abzocke durch Schlepperbanden bis zur Folter und Erpressung durch Banden, die das Machtvakuum in manchen afrikanischen Staaten nutzen, durchleiden die beiden Cousins Seydou (Seydou Sarr) und Moussa (Moustapha Fall) eine Kette von Widrigkeiten.

„Ich Capitano“ (im Original „Ich Capitano“) ist ein sehr zwiespältiges Werk: zu offensichtlich zielt Garron auf die Tränendrüsen des Arthaus-Publikums, das mit den sympathischen jugendlichen Helden mitfiebert, die alle Hindernisse meistern. Am Ende schafft es Seydou sogar, den maroden Kahn übers Mittelmeer zu steuern und hunderte Menschen zu retten. Klar, dass eine solch emotionalisierend-plakative Erzählweise bei der Academy gut ankommt: „Ich Capitano“ schaffte es auf die Shortlist der  besten fünf nicht-englischsprachigen Filme bei der aktuellen Oscar-Verleihung.

Bei aller nah am Kitsch steuernden, kühl kalkulierten Emotionalität muss man Garrone zugute halten, dass er sein Handwerk verspätet. Immer wieder gelingen ihm Szenen und Bilder, die nachhallen.

Ungewöhnlich an seiner Erzählweise ist, dass Garrone ähnlich wie seine italienische Landsfrau Alice Rohrwacher den Sozialrealismus mit märchenhaften Elementen vermischt. Als eine Frau in der Wüste zusammenbricht und alle Aufmunterungsversuche von Seydou versagen oder später im Folterkeller träumt sich der Hauptdarsteller aus der erschütternden Realität in kurze Momente einer paradiesisch-leichten Gegenwelt weg. Auch dieses unvermittelte Nebeneinander hinterließ bei einigen Kritikern einen schalen Beigeschmack.

Die Jury in Venedig vergab den Silbernen Löwen für die beste Regie an Matteo Garrone und den Marcello Mastroianni-Preis für den besten Nachwuchsdarsteller des Festivals im September 2023 an Seydou Sarr. In San Sebastian gewann „Ich Capitano“ kurz danach den Publikumspreis. Auch für den Europäischen Filmpreis war dieses Werk nominiert.

„Ich Capitano“ startete am 4. April 2024 in den deutschen Kinos.

Bilder: © Greta De Lazzaris / X Verleih AG

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