Übergewicht, unwichtig: Unform

Anfang der 1990er Jahre war Werner Schwab ein Shootingstar der Theaterszene. In schneller Folge schrieb er bis zu seinem frühen Tod Stücke, die sich in ihrer ganz eigenen, sehr drastischen Kunst-Fäkal-Sprache im prekären Leben am Abgrund suhlten. Drei Jahrzehnte später scheint Schwab aus der Zeit gefallen, am bekanntesten dürften noch „Die Präsidentinnen“ sein. Noch seltener schafft es seine 1991 in Wien uraufgeführte Wirtshaus-Groteske „Übergewicht, unwichtig: Unform“ auf die Spielpläne, zuletzt beispielsweise 2021 am Münchner Volkstheater.

Nun nahm sich ein anderer Shootingsstar dieses Stücks an: Rieke Süßkow fiel bereits während ihres Studiums durch extrem stilisierte Zugriffe auf, ihre Figuren verschwinden hinter Masken. 2023 wurde sie mit der Uraufführung von Peter Handkes „Zwiegespräch“ zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Ein Jahr später folgt gleich die nächste Einladung: im Mai wird ihre Nürnberger Saison-Auftakt-Arbeit „Übergewicht, unwichtig: Unform“ in der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz zu sehen sein.

Die Schauspieler sind wie Schießbudenfiguren auf einer Jahrmarktsbuden-Guckkasten-Bühne von Mirjam Stängl aufgereiht. Die Individualität der einzelnen Spieler des Ensembles verschwindet völlig hinter den Strumpfmasken und quietschbunt aufgepolsterten Kostümen von Sabine Bosshard. Die Marionettenhaftigkeit dieser Witzfiguren, die im Kneipensuff hängengeblieben sind, wird in Rieke Süßkows Inszenierung bei jeder kleinsten Bewegung überbetont. Genauso mechanisch dudelt die Jukebox-Musik (Philipp C. Mayer).

Die eine Idee, die Schwab-Figuren in eine überstilisierte Comic-Ästhetik zu überführen, zieht das Quartett konsequent durch. Den loopverliebten Geschmack der Theatertreffen-Jury treffen sie damit. Mehr als 45 Minuten kann die Kunstfertigkeit dieser Fingerübung nicht tragen, zu dünn ist die eine Konzeptidee des 66minütigen Schwab-Comic-Abends.

Bilder: Staatstheater Nürnberg / Konrad Fersterer

 

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