Yael Ronen findet nach einigen schwächeren Inszenierungen und eskapistischen Ausweichbewegungen endlich wieder zu ihren Kernthemen und dem Format zurück, das sie am besten beherrscht: mit den Mitteln einer Screwball-Comedy beleuchtet sie die Fallstricke der deutsch-israelisch-palästinensischen Konflikte, die sich unstrittig in den vergangenen Jahren massiv verschärft haben.
Auf dieser Rückkehr begleitet sie ein langjähriger Weggefährte aus gemeinsamen Gorki-Tagen, der nach Ausflügen zum Film und einem Schauspieler des Jahres-Einstands-Solo mit Falk Richters autobiografischer „The Silence“ endlich wieder die Hauptrolle in einem Yael Ronen-Stück spielt. Die Rolle des fiktiven Dokumentarfilmers Jona Lubnik hat Ronen ihrem neben Orit Nahmias, die hier nicht dabei ist, aber im Gorki Studio ein Solo zum selben Thema wagte, markantesten Schauspieler auf den Leib geschrieben.
Dieser Lubnik ist eine unverkennbare Dimitrij Schaad-Figur. Wer sonst schafft es, sich so charmant mit einem fast nie versiegenden Redestrom durch einen Abend zu plaudern, der scheinbar alltagsbanal ist und sich im nächsten Moment sehr klar zu den heillos verhedderten Weltkonflikten positioniert? Dass es sich beim Gaza-Krieg als Vergeltung des Hamas-Terrors aus ihrer Sicht um einen Genozid handelt, macht die israelische Regisseurin schon zu Beginn des Abends deutlich. Außerdem ist dieser Lubnik eine mit seiner Hornbrille, seiner Slapstick-Schusseligkeit und seiner Therapiebedürtigkeit eine von Woody Allen inspirierte Figur.

Kern jeder guten Screwball-Komödie ist ein erotisch aufgeladenes Dreieck. Die beiden Frauen in Lubniks Leben sind seine Therapeutin (Eva Meckbach), die von seinem Gejammer und Selbstmitleid ziemlich genervt ist, und seine Frau (Carolin Haupt), eine ebenso erfolgreiche wie attraktive Ärztin, auf die auch die lesbische Therapeutin scharf ist und die an der Charité vor dem Karrieresprung steht. Den könnte ihr der Gatte vermasseln, wenn er an seiner fixen Idee festhält, sich mit einem Dokumentarfilm über Jeschajahu Leibowitz mitten ins politische Minenfeld zu begeben. Dieser Naturwissenschaftler und Philosoph ist eine ganz reale, mittlerweile verstorbene Fogur, die schon nach dem Sechstage-Krieg der 1960er Jahre warnte, dass eine Besatzung der palästinensischen Gebiete dem Staat Israel langfristig schade. Aus der Perspektive eines Zionisten und orthodoxen Juden prägte er den Begriff „Judäo-Nazis“, mit dem Ronen ihre Figuren jonglieren lässt.
Nach einigen schwächeren Abenden wie „Replay“, einem Kindheits-Trauma-Kolportage-Stück an der Schaubühne, und der Kulturbetriebs-Sci-Fi-Komödie „State of Affairs“ am Hamburger Thalia Theater kehrt Ronen endlich wieder zu alter Stärke zurück. Ihr gelingt das Kunststück eines intelligenten, sehr unterhaltsamen Edelboulevard-Abends zu aktuellen weltpolitischen Fragen.
Dass dabei noch nicht alles wieder zu 100 % sitzt, ist geschenkt: Der Abend wäre noch bissiger und konzentrierter, wenn er von 115 auf 90 Minuten komprimiert würde. Die Nebenfigur des Bruders der Therapeutin (Konrad Singer), die den „blinden Fleck“ verkörpert, bringt wenig Mehrwert für die Konstellation und in der zweiten Hälfte wird das Beziehungsdreieck etwas zu boulevardesk-albern.
Dennoch ist das Glas mindestens halb voll. Erstaunlich ist, wie negativ die Berliner Kritik diesmal auf Ronen reagierte, deren Abende meist einhellig bejubelt wurden. Sie sahen das Glas halb leer und eine schwächere Ronen-Inszenierung. Ich finde, das Gegenteil ist richtig: In „Sabotage“ findet sie zu ihren Kernthemen zurück und liefert mit einem ihrer Lieblingsschauspieler eine vielschichtige Polit-Komödie.
Premiere von „Sabotage“ war am 4. Dezember 2025 im Saal B der Schaubühne am Lehniner Platz.
Bilder: Ivan Kravtsov