Das Erfolgsrezept von Yael Ronen ist es, gemeinsam mit ihrem Ensemble aus dem Steinbruch autobiographischer Erlebnisse Stückentwicklungen mit schwarzem Humor zu schreiben, in denen Realität und Fiktion verschwimmen. Nach ersten Erfolgen an der Schaubühne reifte die israelische Regisseurin zum Aushängeschild des Gorki Theaters und wurde drei Mal zum Theatertreffen eingeladen.
Nach ihrem Wechsel zurück an die Schaubühne folgte in der vergangenen Spielzeit zwar gleich die vierte Einladung zum TT, der Stil änderte sich jedooch: „Bucket List“ war der Versuch, den Schrecken des Hamas-Terrors vom 7. Oktober in einem Musical zu verarbeiten.
Ganz anders ging Ronen ein Jahr später in „Replay“ vor. Sie firmiert als alleinige Autorin, im Programmheft betont sie, dass es sich diesmal um eine „komplett erfundene Geschichte“ handele. Ausführlich erläutert sie im Interview, welche Texte und Themen sie umtrieben: mit transgenerationalen Traumata, die in Form von Familienaufstellungen psychoanalytisch bearbeitet werden, und dem populärwissenschaftlichen Bestseller „The Fourth Turning“ von William Strauss/Neil Howe aus dem Jahr 1997, die von einem ewigen Zyklus aus Aufstieg, Krise und Disruption in der US-amerikanischen Geschichte fabulierten. Daraus zitiert Eva Meckbach bereits im Intro.
Es kam, wie es kommen musste: Ronens „Replay“ missrät zum bebilderten Thesentheater. Wir folgen dem tragikomischen Schicksal einer Familie nach der Republikflucht einer überkandidelten Opern-Diva (Ruth Rosenfeld mit blonder, hochtoupierter 80er Jahre-Mähne und gewohnt tollen Sopran-Gesangseinlagen), die eine Einladung nach Bayreuth nutzt, um sich in die BRD abzusetzen. Beim Alkoholiker-Vater (Christoph Gawenda) lässt sie die beiden Töchter Luise und Lotte (Eva Meckbach und Carolin Haupt) zurück. Eine Stärke von Ronen ist eigentlich auch ihr Timing. Doch diesmal walzt sie die Versuche der beiden Töchter, mit diesem Kindheitstrauma zurecht zu kommen, in zu langen zwei Stunden aus.
Während herbstliche, schwarze Vogelschwärme in den Videosequenzen von Stefano di Buduo über die Bildschirme im Hintergrund kreisen, verdüstert sich auch die Lage für die Figuren. Die Mädchen, die anfangs als an Erich Kästners Kinderbuchklassiker „Das doppelte Lottchen“ angelehnt noch einige komödiantische Momente spielen dürfen, verkümmern im Erwachsenenalter zu papiernen Thesenträgerinnen, die immer wieder an denselben Typ Mann geraten (gespielt von Christoph Gawenda und Renato Schuch).
Aus dem Kopfschütteln kommt man nicht heraus, wenn man die langen „The Fourth Turning“-Passagen liest, die Ronen so stark beeindruckten. Auch bei größtem Wohlwollen fällt es schwer, freundlichere Adjektive als rbb-Kritikerin Barbara Behrendt dafür zu finden, die sie als „hanebüchen“ und „esoterisch“ bezeichnete. Die deutsche Übersetzung erschien im FinanzBuch Verlag, in dessen Sortiment sich noch weitere nicht nur umstrittene, sondern sehr fragwürdige Autoren tummeln.
Das davon inspirierte Theaterstück ähnelt trotz mancher komödiantischen Momente mehr den Texten der Schaubühnen-Chefdramaturgin Maja Zade als den früheren Ronen-Hits. Beide Autorinnen eint, dass sie ihre Figuren mit Schicksalsschwere überfrachten und die Figuren mehr Thesen oder Meinungen transportieren als lebendige Charaktere zu sein.
Bilder: Ivan Kravtsov