Buzzword-Bingo

Stefan Puchers und Dietmar Daths Version von Ibsens „Volksfeind“ überzeugt nicht

Wenn man nach den zwei Stunden im Theater auf dem Heimweg das Programmheft durchblättert, geht es hier im selben Stil wie auf der Bühne weiter: Das Glossar reiht einen trendigen Begriff an den nächsten.

Regisseur Stefan Pucher und Dietmar Dath, der sich als FAZ-Journalist und Autor einen Namen gemacht hat, landen bei ihrem Versuch, Henrik Ibsens Klassiker „Volksfeind“ mit aktuellen Themen zu verknüpfen, beim „Buzzword-Bingo“.

Die Wasserverunreinigung im Kurbad ist hier natürlich auf das umstrittene Fracking zurückzuführen. Statt bei einer guten, alten Tageszeitung wie zu Ibsens Zeiten arbeiten Hovstad und Billing bei einem Blog. Die Figuren lassen ständig neue Phrasen-Ballons aufsteigen. Hauptsache: es klingt hip, aktuell und aufregend. Man unterhält sich über Klickzahlen, veganes Essen und E-Government, bleibt aber ansonsten nah an Ibsens Vorlage. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur „Nora“-Neufassung, die Pucher mit Armin Petras am Deutschen Theater im Dezember 2015 erarbeitet hat.

Wenn man hinter den Glamour des Schlagwort-Gewimmels blickt, bleibt jedoch nur recht zähes „Stehtheater“ übrig, wie bereits einige Schweizer Feuilletons nach der Premiere in Zürich am 10. September 2015 bemängelten.

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v.l.n.r.: Markus Scheumann, Robert Hunger-Bühler EIN VOLKSFEIND von Henrik Ibsen in einer Bearbeitung von Dietmar Dath Premiere am 10. September 2015 am Schauspielhaus Zürich, Pfauen Regie: Stefan Pucher Bühne: Barbara Ehnes Kostüme Annabelle Witt Musik: Christopher Uhe Licht: Frank Bittermann Video: Ute Schall Dramaturgie: Andreas Karlaganis Mit: Dr. Tomas Stockmann – Markus Scheumann Peter Stockmann, sein Bruder – Robert Hunger-Bühler Katherine Stockmann, seine Frau – Isabelle Menke Petra, deren Tochter – Sofia Elena Borsani Hovstadt – Tabea Bettin Billing – Nicolas Rosat Aslaksen – Matthias Neukirch Morten Kill – Siggi Schwientek Live-Musik – Becky Lee Walters Live-Video – Ute Schall

Nach den Eindrücken der ersten Tage wird die Frage drängender, nach welchen Kriterien die Theatertreffen-Jury ihre „bemerkenswerten“ Inszenierungen für 2016 ausgewählt hat. Die krampfhaften Aktualisierungen sind zwar eine charmante Idee, verkommen aber schnell zur Masche, hinter der zu wenig Substanz steckt.

Die Schwächen des Abends werden besonders deutlich, wenn man den direkten Vergleich zieht: Bei Thomas Ostermeiers „Volksfeind“ an der Schaubühne (seit 2012) oder auf den internationalen Gastspielen kommt es regelmäßig zu hitzigen Diskussionen, wie ich sie hier beschrieben habe.  Bei Puchers und Daths Züricher Gastspiel im Berliner Festspielhaus bleiben die meisten Zuschauer in reservierter Haltung einfach sitzen, während ein kleineres Häuflein unschlüssig zwischen den Schauspielern im Foyer herumsteht, die eine Volksversammlung mimen.

Weitere Informationen auf der Webseite des Schauspiels Zürich und des Berliner Theatertreffens

Bilder: Tanja Dorendorf/ T+T Fotografie

 

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