Schatten

Im Gegensatz zu ihren beiden männlichen Regie-Kollegen Matthias Hartmann (Kritik zur Uraufführung am Wiener Burgtheater) und Jan Philipp Gloger (Kritik zur deutschsprachigen Erstaufführung am Badischen Staatstheater Karlsruhe) fokussiert sich Katie Mitchell ganz auf den feministischen Kern von Elfriede Jelineks „Schatten (Eurydike sagt)“.

In ihrer auf nur 75 Minuten gekürzten Fassung hat sie die vielen assoziativen Verästelungen des Jelinek-Texts gekappt. Von Mitchell wurde Jelinek außerdem zwei ihrer Markenzeichen beraubt: der Abend an der Schaubühne verzichtet erstens auf ihre langen Wut-Tiraden, stattdessen spricht Stephanie Eidt den Text der Eurydike als langen inneren Monolog. Sie sitzt am Bühnenrand in einer abgeschlossenen Kabine, wie sie sonst Dolmetscherinnen oder Synchronsprecher nutzen, und trägt ihn mit dem sanften Parlando vor, mit dem sie zuletzt auch die „Borgen“-Hauptfigur Birgitta Nyborg verkörperte. Als ihr Alter Ego agiert Jule Böwe auf der Bühne über weite Strecken fast wortlos und zum Objekt degradiert, erst gegen Ende findet sie eine eigene Sprache.

Die zweite ungewöhnliche Setzung des Abends ist, dass Mitchell auf den bissigen Humor von Jelinek verzichtet, mit dem die österreichische Literaturnobelpreisträgerin die Casting-Shows, das Schönheitsdiktat der Modebranche und die Popkultur aufs Korn nimmt. Hartmann und Gloger nutzten diese Nebenstränge für lustige Kabarett-Einlagen und interessante Tempi-Wechsel.

Bei Mitchell konzentriert sich hingegen alles auf den einen und zentralen Aspekt von Jelineks-Text: auf das Drama der sich unterdrückt fühlenden Frau, die ständig nur im Schatten ihres Lovers Orpheus steht. Renato Schuch spielt diesen Popstar, der von seinen Groupies angehimmelt wird, hervorragend als schnöselig-narzisstischen Schönling.

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Mitchells Lesart führt dazu, dass der ganze Abend (wie schon „Ophelias Zimmer“) von schwerer Melancholie durchtränkt ist. Jule Böwe fährt durch im VW-Käfer durch dunkle Tunnels oder mit dem Fahrstuhl in die Unterwelt. Wie schon aus früheren Mitchell-Inszenierungen gewohnt, wird dies live mit der Kamera auf die große Leinwand projiziert: Starke Bilder, die sich jedoch im Lauf des Abends zu häufig wiederholen.

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Leider steht sich Mitchell mit ihrem Inszenierungs-Stil zum Teil selbst im Weg: die Technik ist so störanfällig, dass sich der Beginn der Premiere wegen eines Netzwerk-Fehlers fast eine halbe Stunde verzögert. Außerdem sind die Kamerafrauen und -männer im Dauerstress. Hektisch laufen sie hin und her, um die Schauspielerinnen und Schauspieler ins rechte Licht zu rücken. Damit unterlaufen sie die melancholische Grundstimmung.

Auch wenn Katie Mitchells „Schatten (Eurydike sagt)“ nicht in allen Punkten gelingt, ist ihr Versuch einer dezidiert feministischen Lesart nach den beiden bunteren, vielfältigeren Inszenierungen ihrer Kollegen ein bemerkenswerter Ansatz.

Bildrechte: Gianmarco Bresadola

„Schatten (Eurydike sagt)“ hatte am 28. September 2016 an der Schaubühne Premiere. Weitere Termine und Informationen

 

 

 

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