Ghettolektuell

Jilet Ayse ist ein 90 kg fleischgewordener Integrationsalbtraum. Im geschmacklosen Outfit einer Neuköllner Ghettobraut stampft sie polternd über die Bühne und teilt zum Rundumschlag gegen „Kanaken“ und „Kartoffeln“ aus.

Idil Baydar, aufgewachsen in der norddeutschen Tiefebene und mit 15 Jahren nach Berlin gezogen, erfand diese Kunstfigur als Reaktion auf die Sarrazin-Debatte und ihre Erfahrungen als Integrationshelferin an der damals berüchtigten Rütli-Schule. Als sie den deutsch-türkisch-arabischen Slang der Schüler imitierte, drängte sie ihre Mutter, Videos auf YouTube zu posten, die dort zum Überraschungshit wurden.

Mit ihrem zweiten Programm „Ghettolektuell“ ist sie momentan in der Bar jeder Vernunft: schwer atmend empört sie sich über den Alltagsrassismus in Jobcentern und über die Burkaverbots-Debatte. Besonders gerne nimmt sie mit dem Publikum in der ersten Reihe Tuchfühlung auf. Sie fällt der „Frau Doktor“ um den Hals, diskutiert mit einer Beamtin über den Bundesnachrichtendienst und fragt „Steffi“ nach ihrer Familienplanung.

Im Zentrum von „Ghettolektuell“ steht das Spiel mit den Stereotypen türkischer Familien: die Mutter, die alle Fäden in der Hand hält und die Haushaltskasse verwahrt, der Vater, der in die Spielothek oder ins Café geschickt wird, und die Kinder, die bei jeder Gelegenheit gefragt werden, wann es endlich soweit ist mit Hochzeit und Kindern.

Bild: Cengiz Karahan

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