Annekatrin Hendel hat sich mit einfühlsamen Porträts gebrochener, schillernder Künstler wie „Anderson“ und „Fassbinder“ (beide Filme liefen im „Panorama“ der Berlinale) einen Namen gemacht. In ihrem jüngsten Werk zeichnet sie das Bild der Künstler- und Intellektuellen-Familie Brasch, die sich aneinander und am DDR-Staatsapparat aufrieb.
Im Zentrum des Films stehen drei Personen: Erstens Vater Horst Brasch, vom katholischen Juden im Exil zum glühenden Anhänger des Kommunismus geworden, steile Karriere bis zum stellvertretenden Minister für Kultur der DDR, nach den Protesten seines Sohnes gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 in der Provinz kaltgestellt, wenige Wochen vor dem Mauerfall gestorben. Zweitens der älteste Sohn Thomas Brasch, hochbegabter, ständig an sich selbst zweifelnder Dichter und Regisseur, früh in Opposition zur Generation seines Vaters, die den Sozialismus aufbauen wollte und doch nur eine verkrusteten Diktatur des Partei- und Stasiapparats schuf, ein Mensch, der andere für sich einnehmen konnte und doch Außenseiter blieb, mit zwei Filmen in Cannes vertreten und heute doch fast vergessen. Drittens das Nesthäkchen Marion Brasch, die einzige Überlebende, die ehrlich und mit Witz ihre Sicht als teilnehmende Beobachterin des Familien-Dramas auf den Punkt bringt.
Vor ihrer Kamera hat Annekatrin Hendel das Who is who der überlebenden Weggefährten des Brasch-Clans versammelt: die Lebensgefährtinnen von Thomas Brasch (Liedermacherin Heidi Wegner, Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach, die Schauspielerin Ursula Andermatt), seine Jugendfreunde (Schriftsteller Christoph Hein, Schriftsteller, Komponist und Maler Florian Havemann) und natürlich immer wieder Marion Brasch.
Die materialreiche Collage liefert einen informativen Überblick. Die Interviewpartner reden offen mit Hendel, der es offenkundig gelang, eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre herzustellen. Der Makel des Films: Wie so oft im Dokumentarfilm-Genre dominieren die „Talking heads“. Interview-Ausschnitt ist an Interview-Ausschnitt gereiht. Das ist etwas ermüdend und war bei dem sehenswerten Theater-Abend „Die Brüder Brasch“, den Regieassistentin Lena Brasch am Deutschen Theater Berlin gemeinsam mit ihrer Mutter Marion Brasch 2015 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters besser gelöst (Kritik). Der Abend, der leider nicht mehr im DT-Repertoire ist, schuf aus den Texten, Video-Schnipseln und persönlichen Anekdoten ein beeindruckendes Panorama, das den Zuschauer noch besser unterhielt als die faktengesättigte und kenntnisreiche Dokumentation „Familie Brasch“, die am 16. August 2018 mit überwiegend positiven Kritiken in den Kinos startete.
Bilder: Salzgeber & Co. Medien GmbH