Widows

Die Oscar-Saison 2019 wird mit einem spannenden Gangster-Thriller eingeläutet. „Widows“ des Briten Steve McQueen funktioniert als klassisches Popcorn-Kino zum Mitfiebern. Er ist aber wesentlich mehr als gut gemachte Genre-Kost, sondern behandelt en passant ganz unaufdringlich eine Vielzahl von wichtigen Themen.

In seiner Vielschichtigkeit zeichnet er ein komplexes Panorama der gesellschaftlichen und politischen Probleme in US-amerikanischen Metropole am Beispiel von Chicago.

Die Ausgangsidee des Plots ist simpel: Der neue Coup von Harry (Liam Neeson) ging schief. Bei einer Verfolgungsjagd nach ihrem Raubzug geht ihr LKW in Flammen auf. Was soll aus den Witwen werden? Sie haben keinerlei soziale Absicherung und – noch schlimmer – die Opfer ihres Raubzugs drohen brutale Vergeltung an, falls sie nicht binnen 30 Tagen ihr Geld zurück.

Veronica Rawlin (Viola Davis) führte bis dahin ein sorgloses Leben mit ihrem Schoßhündchen im Penthouse und kümmerte sich nur um ihr Engagement in der Lehrergewerkschaft. Mit den kriminellen Methoden ihres Mannes, der die Gang anführte, hatte sie nie etwas zu tun. Auch Alice (Elizabeth Debicki) und Linda (Michelle Rodriguez) trifft der Tod ihrer Männer unvorbereitet.Veronica löst sich als Erste aus ihrer Schockstarre. Sie nimmt sich das Notizbuch ihres Mannes vor, der penibel Aufzeichnungen über all seine Pläne führte, und studiert die Vorbereitungen für seinen nächsten Coup. Sie trommelt die anderen Witwen zusammen, die sie zuvor nie kennengelernt hat, und steigt minutiös in die Planung ein: vom Kauf der Pistolen bis zum Erwerb des Fluchtautos wird jede Aufgabe innerhalb des Trios fair aufgeteilt. Belle (Cynthia Erivo, die in diesem Jahr bereits mit „Bad Times at the El Royale“ aufgefallen ist), eine resolute Babysitterin, wird als Fahrerin engagiert und komplettiert das Quartett.

Steve McQueen wäre selbstverständlich nicht einer der interessantesten Filmemacher Hollywoods, wenn er es bei diesem Heist-Plot belassen würde. Er webt ein ganzes Geflecht aus Verrat und Korruption, in dessen Zentrum der Wahlkampf um einen Alderman-Sitz (vergleichbar mit einem Stadtrat) für diesen neu zugeschnittenen Distrikt von Chicago steht. Jack Mulligan (Colin Farrell) betrachtet das Mandat als Erbhof seiner Familie, sein Vater Tom (Robert Duvall) ist allerdings von seinen Fähigkeiten nur begrenzt überzeugt. Als Rivale tritt die Unterwelt-Größe Jamal Manning (Brian Tyree Henry) an: alteingesessener White Anglo-American Geldadel gegen Black Power-Selbstbewusstsein.

Mit rasanten Plottwists treibt McQueen seinen Thriller voran und lässt dabei seine sozialkritische Gesellschaftsstudie nie aus den Augen. Rassismus, Diskriminierung der Schwarzen, Korruption in der Baubranche, der große Einfluss von Geldspenden in US-Wahlkämpfen und die gesellschaftliche Stellung der Frauen: all diese Themen sind in diesem Film präsent.

„Widows“ ist wesentlich entspannter zu konsumieren als McQueens Vorgänger-Filme, die verstörende Sex-Sucht Studie „Shame“ mit Michael Fassbender oder das brutale Sklaverei-Drama „12 Years a Slave“: Für letzteres erhielt er 2014 den Hauptpreis der Oscar-Academy für den besten Film des Jahres. 5 Jahre später zählt er mit seinem nächsten Film wieder zu hoffnungsvollen Favoriten für die Oscar-Gala in wenigen Monaten.„Widows“ hatte seine Premiere im September 2018 in Toronto und startete am 6. Dezember 2018 unter dem deutschen Verleihtitel „Widows – Tödliche Witwen“ in den Kinos.

Bilder: © 2018 Twentieth Century Fox

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