Climax

Nur 95 Minuten kurz, aber einer der aufreibendsten Filme des Kinojahres: Gaspar Noé, dem seit „Irréversible“ (2002) der Ruf eines Skandal-Regisseurs vorauseilt, nimmt uns in „Climax“ mit auf einen Drogen-Höllen-Trip.

Nach der ersten kurzen Einstellung, einer Frau, die sich schreiend, blutend und keuchend durch den Schnee schleppt, serviert Noé uns gleich den Abspann inklusive aller akribisch aufgelisteter Musik-Tracks, die den Film anschließend prägen.

Einen kurzen Moment des Atemholens gönnt uns Noé, nachdem die letzten Credits über die Leinwand gelaufen sind: in bewusst laienhaftem Stil laufen Casting-Videos über einen alten Fernseher. Tänzerinnen und Tänzer bewerben sich für eine Choreographie mit den üblichen Schleim- und Bauchpinsel-Methoden. Links und rechts stapeln sich Videokassetten, ins Auge springt „Suspiria“ von Dario Argento, der dieses Jahr ein recht unglückliches Remake erlebte. Dieser in manchen Kreisen kultisch verehrte Arthouse-Horror-Film behandelt dasselbe Thema wie „Climax“: das Zusammenleben einer Tanzcompagnie, die für alle Beteiligten zum Albtraum wird.

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Das Highlight des Films sind die Tanzszenen auf hohem Niveau in der ersten halben Stunde: Dies ist die letzte Probe des neuen Stücks, für das sich die Compagnie aufs Land zurückgezogen hat.  Bevor die Tournee startet, will man noch ausgelassen feiern und flirten. Sangria fließt in Strömen.

Erste Symptome von Übelkeit und Desorientiertheit. In das Party-Gesöff wurde LSD gekippt, der Kreis der Verdächtigen reduziert sich schnell. In immer wackligeren Einstellungen folgt die Kamera von Benoît Debie den jungen, schönen Menschen in ihren 90er Jahre-Adidas-Trainingsanzügen, die nach und nach jegliche Selbstkontrolle verlieren. „Climax“ ist von einer wahren Begebenheit im Jahr 1996 inspiriert, treibt das Abgleiten in den Drogenexzess aber auf die Spitze.

Obwohl früh absehbar ist, worauf es hinauslaufen wird, entfaltet dieser exzessive Trip durchaus einen Sog, der „Climax“ zu einem der bemerkenswerten Filme dieses Jahres macht.

Seine Premiere feierte er in Cannes im Mai bei der Quinzaine des Réalisateurs. In den deutschen Kinos startete „Climax“ am 6. Dezember 2018.

Bilder: Alamode Film

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