Temblores

Mit „Erschütterungen“ lässt sich der Titel des Dramas übersetzen, das Jayro Bustamante heute im Zoo-Palast präsentierte. Die Erde bebt in Guatemala, vor allem aber gerät die Welt von Pablo (Juan Pablo Olyslager) aus den Fugen.

Eines Abends kommt er zurück zum Stammsitz des sehr gut situierten Familien-Clans: Vorwurfsvoll tritt ihm die ganze Phalanx aus Mutter, Vater, Geschwistern und Verwandten gegenüber. Wie kann er es wagen, die vorgezeichneten Pfade als Familienvater zu verlassen und mit einem anderen Mann zusammenzuziehen?

Die Schwester wimmert und bohrt nach, welche traumatische Erfahrung aus der Kindheit Pablo schwul gemacht hat, da sie sich seine Homosexualität anders nicht erklären kann. Der Schwager schreit, die Mutter ist am Boden zerstört. Die ganze schrecklich nette Familie ist ultra-religiös und besucht regelmäßig die Gottesdienste einer charismatischen, verschlagenen Pastorin (Sabrina de La Hoz).

Die Welt des Familienclans ist trotz des sichtbaren Reichtums äußerst ungemütlich gezeichnet: Ein einziger düsterer Sumpf aus Grün- und Braunschattierungen und bornierer Engstirnigkeit. Die Figuren wirken auf den ersten Blick wie aus einem längst vergangenen Jahrhundert, stehen aber symptomatisch für einen Roll-Back, wie ihn Lateinamerika – v.a. Bolsonaros Brasilien – derzeit erlebt.

Aber auch bei seinem Freund Francisco (Mauricio Armás Zebadua) wird Pablo nicht glücklich: Der flirtet ständig mit anderen Männern und hat für die seelischen Probleme seines Partners nur ein paar lakonische Sprüche übrig. Zugleich wird der Druck der Familie so stark, dass Pablo aus dem Apartment auszieht und in eine höchst fragwürdige Konversionstherapie einwilligt, mit der er von seiner Homosexualität „geheilt“ werden soll und die auch in „Boy Erased“ (demnächst im Kino) das zentrale Thema ist.

Jayro Bustamante erzählt sein Drama sehr routiniert, obwohl es erst sein zweiter Spielfilm ist. Mit seinem Debüt „Ixcanul“ war er 2015 im Berlinale-Wettbewerb vertreten und gewann dort gleich einen der Silbernen Bären, der Film wurde vor wenigen Tagen erstmals auf arte ausgestrahlt, das auch „Tremblores/Tremors“ koproduziert.

Etwas zu plakativ ist allerdings der Wink mit dem Zaunpfahl, der sich durch den Film zieht: nicht nur Pablo wird erschüttert und findet sich zwischen allen Stühlen wieder. Auch im Dauerregen vor der Tür bebt die Erde und zeigen sich Risse. Dennoch ist „Tremores“ ein durchaus sehenswerter Beitrag in der „Panorama“-Arthaus-Sektion der Berlinale und ein Favorit für den queeren Teddy.

Bilder: © TuVasVoir

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