Uncanny Valley

Mit einer spröden, nur eine Stunde kurzen Lecture Performance eröffneten die Münchner Kammerspiele im Oktober ihre Spielzeit: „Uncanny Valley“ nennen Rimini Protokoll ihre Produktion nach einem Fachbegriff aus der Robotik. So bezeichnete der Japaner Masahiro Mori die Spanne, wenn ein Roboter einem Menschen ähnlich sieht, aber nicht genug, so dass er Grusel und Befremden auslöst.

Ein halbes Jahr später ist der Abend am koproduzierenden Haus der Berliner Festspiele im Rahmen des „Immersion“-Schwerpunkts angekommen. Besonders immersiv ist der Abend aber nicht: auf der kleinen Seitenbühne sitzt uns ein Humanoid gegenüber, der dem Schriftsteller Thomas Melle nachgebildet ist, sich aber sehr schwerfällig bewegt und noch einige Tücken hat. Bei meinem ersten Versuch, „Uncanny Valley“ im Januar in der Münchner Kammer 3 zu sehen, streikte die Technik.

Die Performance hangelt sich an zwei Biographien entlang: Zum einen der bipolaren Störung mit manisch-depressiven Schüben von Thomas Melle, die er in seinem autobiographischen Bestseller „Welt im Rücken“ beschrieb und die in Joachim Meyerhoffs Solo-Show auch bereits auf der Theater verhandelt wurde. Zum anderen der traurigen Lebensgeschichte des Briten Alan Turing, nach dem der Turing-Test benannt ist, der zwischen Mensch und Humanoid unterscheidet. Auch diese Biographie ist dem kulturinteressierten Publikum aus dem Kinofilm „The Imitation Game“ bereits vertraut.

Wie üblich setzt Rimini Protokoll auf „Experten des Alltags“, die aber diesmal nicht live, sondern nur als Video-Einspieler auftreten. Sie sind in eine essayistische Collage eingebettet, die mit manchen Anekdoten  unterhält und das Publikum mit der Frage zum Schmunzeln bringt: „Haben Sie nicht auch manchmal Schwierigkeiten, die Bilder und Buchstaben auf den CAPTCHAs zu erkennen?“ 

In der knappen Stunde wird die komplexe Materie im weiten Feld von Robotik und künstlicher Intelligenz nur angerissen. Nachdenklich, aber mit einem für Rimini Protokoll ungewöhnlich kleinen Päckchen interessanter Fragen werden wir in die Nacht entlassen.

Bild: Gabriela Neeb

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