Tartuffe oder Das Schwein der Weisen

Vom klassischen Plot soll möglichst wenig übrigbleiben. Die Figurenkonstellationen, ihre Motive und die zentralen Handlungsstränge werden so lange übermalt, zerrieben und pulverisiert, dass das Original aus dem bildungsbürgerlichen Kanon nicht mehr wiederzuerkennen ist.

Eine Spielart dieser Übermalungen ist als „Basler Dramaturgie“ bekannt, die dem Haus in diesem Jahr gleich zwei Einladungen in die Zehner-Auswahl des Theatertreffens bescherten. Im besten Fall entstehen bei diesem Neuschöpfungs-Prozess anregende, unterhaltsame Abende, die alte Konflikte und Grundmuster ins heute überführen. Im schlechtesten Fall werden daraus so fliegengewichtige, belanglose Abende wie „Hotel Strindberg“ von Simon Stone (zur Eröffnung des Theatertreffens) und „Tartuffe oder Das Schwein der Weisen“, das der Kölner Autor und Musiker PeterLicht schrieb und Claudia Bauer inszenierte.

Als kleine einstündige Farce könnte dieser Abend vielleicht noch funktionieren. Auf fast drei Stunden (inklusive Pause) gestreckt ist der Abend eine Aneinanderreihung von „Laberkaskaden“, wie die Theatertreffen-Jury zurecht schrieb, die allerdings nicht „schwindelerregend“, sondern eintönig und banal sind. Der Unterhaltungswert ist ebenso gering wie der Erkenntnisgewinn.

„Tartuffe oder Das Schwein der Weisen“ ist vor allem in einer Hinsicht bemerkenswert: bemerkenswert albern. In Barockkostüme gesteckte, aufgeregt plappernde Spieler*innen quälen sich und das Publikum durch möglichst sinnfreie Dialoge, was sie „geil“, „ungeil“ oder „okay“ finden. Zur Pause gibt es berechtigte Buhrufe, nach der Aufführung verhaltenen Applaus.

Wie bei Molière betritt die Hauptfigur erst im dritten Akt die Bühne: Tüffi ist ein triebgesteuertes Schwein mit angeklebtem Riesen-Dildo (Nicola Mastroberardino), das genauso sinnfreies Zeug faselt wie der Rest und sich als Sex-Schamane entpuppt, der seinen Kunden mit Selbstoptimierungs-Workshops das Geld aus der Tasche zieht. Als Running Gag verstecken sich alle Spieler*innen wie der leichtgläubige Orgon unter irgendwelchen Tischen und diskutieren anschließend mit dem Guru, ob sie den vollen Seminar-Preis zahlen müssen.

„Tartuffe oder Das Schwein der Weisen“ ist nach „Der Geizige“ (2010, Regie: Jan Bosse, Gorki Theater) und „Der Menschen Feind“ (2016, Regie: Claudia Bauer, Theater Basel) die dritte Molière-Bearbeitung von PeterLicht. Die skurrilen Songs wie das „Chipslied“ sind in ihrem Dada-Stil ganz hübsch. Ansonsten kommt die Klassiker-Veralberung aber nicht über eine flache Kapitalismuskritik und fade Gags hinaus. Ein ungeiler Abend!

Bild: Priska Ketterer

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