Die Möglichkeit einer Insel

Wohltuend anders geht Robert Borgman am Berliner Ensemble an Michel Houellebecq heran: Während Ivan Panteleev in „Ausweitung der Kampfzone“ am DT und Falk Richter in „Serotonin“ am Schauspielhaus Hamburg den französischen Autor durch den Kakao zogen und ihn lustig machten, bietet Borgmann keine Nummernrevue, sondern umkreist zentrale Roman-Motive düster.

Den Ton gibt Wolfgang Michael mit seiner unnachahmlich-knarzenden Stimme vor. Gleich zu Beginn als Klon Daniel 24 und direkt nach der Pause als der „Alte Prophet“ in einer an die SS erinnernden Uniform hebt er zu langen, bedeutungsschweren Monologen über das Alter, die Einsamkeit und die Kunst an. Das Depressive in Houllebecqs Werk und Leben steht an diesem Abend im Mittelpunkt.

Der Preis, den der Abend dafür zu zahlen hat, ist allerdings erheblich: Unter der schweren Last seiner Melancholie ächzt „Die Möglichkeit einer Insel“ knapp drei Stunden gewaltig und schleppt sich vor sich hin. Drei Schauspielerinnen, die jede auf ihre Art großartig sind, werden zu Nebenfiguren und blassen Stichwortgeber*innen degradiert: Constanze Becker als Boulevard-Journalistin Isabelle und erste Ehefrau, Cynthia Micas als junge Geliebte Esther und Sina Martens als Pop-Art-Künstlerin im Jeff Koons-Stil hinter Ganzkörper-Kostümen versteckt haben gemeinsam, dass sie alle ihr Können nicht zeigen dürfen. Aber auch Peter Moltzen als Hauptfigur „Daniel 1“, ein sexgieriger Starkomiker und typisches Houellebecq-Würstchen, kann dem Abend nicht den notwendigen Drive geben.

Wie gewohnt sehr assoziativ, aber deutlich weniger bildstark als in früheren Arbeiten arbeitet sich Borgmann an Roman-Motiven ab, lässt aber jenen, die den Text nicht gelesen haben, kaum eine Chance ihm zu folgen. Viele Stränge aus dem umfangreichen, vierten Houellebecq-Buch aus dem Jahr 2005 bleiben auf der Strecke.

Gegen Ende der ersten Hälfte wird der hilflose Versuch eines Mitmachtheaters geboten und der bedauernswerte Julius auf die Bühne zum Small-Talk über den Roman gebeten.

Nach einigen Stroboskop-Gewittern findet sich Jonathan Kempf (als Klon Daniel25 der Hauptfigur) am Ende seiner Suche nach der „Möglichkeit einer Insel“ allein mit seinem Hund Fox in der Houellebecq-typischen Tristesse und Verzweiflung wieder.

Obwohl Borgmann einen ganz anderen Ton als die beiden anderen Houellebecq-Inszenierungen zum Spielzeit-Auftakt anschlägt, entsteht auch aus seiner Annäherung an den Skandal-Autor kein überzeugender, interessanter Theaterabend.

Bilder: © JR Berliner Ensemble

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