Kathrin Angerer hat sich im Steigbügel ihres Pferdes verfangen, baumelt hilflos und stimmt das typische Pollesch-Jammer-Lamento an: das Leben sei eine einzige Katastrophe, es gehe nur noch bergab. Die Diskursschleifen, die nach so vielen Jahren mittlerweile wie aus der Retorte wirken, sind wie üblich mit popkulturellen und soziologischen Referenzen gewürzt. Der wichtigste Anker sind diesmal die Anspielungen auf den Western-Klassiker „Die glorreichen Sieben“, der vor wenigen Tagen auch in Polleschs Berliner Wahlheimat in der Bar jeder Vernunft travestiert wurde.
In Cowboy-Kluft kommen die fünf Frauen mit ihrem Quoten-Mann auf die von Katrin Brack gestaltete Bühne, hauen sich die Diskursfetzen um die Ohren und werfen sich immer wieder bei einer Showdown-Parodie mit extra viel Bühnennebel und pompöser Musik zu Boden.
So weit, so bekannt. Was diesen Pollesch-Abend aus dem seriellen Einheitsbrei etwas heraushebt, sind drei Faktoren: Erstens ein besonders stargespicktes Ensemble. Birgit Minichmayr und Caroline Peters feuern beim Wiener Heimspiel die Pointen aus der Hüfte, Kathrin Angerer nölt sich durch das Volksbühnen-Exil, Martin Wuttke mimt das Raubein, das ständig fragt, ob man hier rauchen darf, und Irina Sulaver, die in der P14-Jugendgruppe der Volksbühne begann und 2016 ans Burgtheater engagiert wurde, rundet das Quintett ab.
Zweitens ist das Bühnenbild mit den sieben lebensgroßen Lipizanern aus de Hofreitschule nachempfunden sind, ein echter Hingucker. Das glorreiche Quintett kann sich mit Turn- und Slapstickübungen an ihnen austoben und tänzelt ansonsten um die Pferde herum.
Drittens gönnte sich René Pollesch bei seiner vorerst letzten Wiener Inszenierung einige spöttische Seitenhiebe gegen österreichische Nationalheiligtümer, nahm den Burgtheater-Finanzskandal aus der Ära Matthias Hartmann aufs Korn, der die Gerichte jahrelang beschäftigte, und kalauert auch mit einigen Ibiza-Wortspielen. Den pointierte Witz und die politische Scharfzüngigkeit, mit denen Elfriede Jelinek die Posse um die Ibiza-Videos bei der für Februar 2020 angekündigten Uraufführung ihres neuen Stücks hoffentlich aufs Korn nehmen wird, lässt Pollesch allerdings vermissen. Er bleibt seinem gewohnten Edel-Boulevard für Akademiker treu.
Bilder: Reinhard Werner