Eine ungewöhnliche Arbeit von Anne Teresa de Keersmeaker ist in dieser Woche im HAU 1 zu sehen. Wer an de Keersmaeker denkt, hat sofort die sehr strengen, fast mathematisch durchchoreographierten Inszenierungen vor Augen, wie wir sie zum Beispiel mit den „Brandenburgischen Konzerten“ an der Volksbühne erleben durften.
2005 machte de Keersmaeker einen Ausflug zum Free Jazz, der in seiner Improvisationslust das krasse Gegenteil zu de Keersmaekers Arbeitsweise ist. Gemeinsam mit Salva Sanchis erarbeitete sie eine Choreographie zum Album „A Love Supreme“ von John Coltrane aus dem Jahr 1965.
Diese Inszenierung schrieb das Duo de Keersmaeker/Sanchis 2017, zwölf Jahre nach der Uraufführung, für ein junges Tänzer-Quartett um. Zunächst ganz ohne Musik tasten sich die vier Männer heran.
Erst zur Hälfte des Abends setzen die Klänge von Coltrane ein. Mit wogenden Bewegungen lassen sich die Tänzer in die Jazz-Improvisationen fallen. Quirlig, mit viel mehr Freiräumen als bei de Keersmaeker üblich, loten sie den Raum aus und folgen der sprunghaft-assoziativen Musik. Die Handschrift von de Keersmaeker bleibt dennoch deutlich spürbar, der Abend hinterlässt einen sehr verkopften Eindruck.
Bild: Anne van Aerschot