Die Tänzer*innen der Gauthier Dance Company aus Stuttgart entwickeln sich langsam zu Stammgästen im Haus der Berliner Festspiele. Bereits zum dritten Mal in Folge gastieren sie an diesem Wochenende in Wilmersdorf.
Hinter „Classy Classics“ verbirgt sich ein buntes Potpourri aus fünf Stücken, das die Vielfalt des modernen Tanzes spiegelt. Herausragend ist vor allem „Äffi“ von Marco Goecke aus dem Jahr 2009. Theophilus Vesely tanzt 14 Minuten lang ein beeindruckendes Solo voller Energie und Ausdrucksstärke zu drei Songs von Johnny Cash.
Den zweiten Höhepunkt des Abends gab es gleich zu Beginn mit „Decadance“, einer Werkschau des israelischen Star-Choreographen Ohad Naharin: die charakteristischen Zuckungen des „Mr. Gaga“-Stil beherrschen die Gauthier-Tänzer*innen perfekt. Vor allem die ersten Minuten dieses Stücks sind ein Genuss. Bei diesem längsten Teilabschnitt des Abends hält sich die Energie jedoch nicht über die kompletten 50 Minuten.
Das passende Stück zum Finale ist „Malasangre“: zu lateinamerikanischen Rhythmen und Dauerbrennern wie „Guantanaméra“ wirbeln die Tänzer*innen in kurzen Röcken und mit ansteckender Bewegungsfreude voller Leichtigkeit über die Bühne.
Eine kleine Clownerie steuerte Eric Gauthier bei, der auch als Conferéncier des Abends auftritt: Zu Beethovens 5. Sinfonie lässt er ein Orchester hinter Wolfsmasken ihren Dirigenten quälen. Die Nummer endet damit, dass die Wölfe über ihren Chef herfallen und sich schließlich auch drohend und mit scharfen Krallen vor dem Publikum aufbauen.
Satirisch ist auch das „Herman Schmerman Duet“ von William Forsythe, ein nur noch selten gespieltes Stück aus seiner großen Frankfurter Zeit Anfang der 1990er Jahre. Diese kurze Choreographie spielt ironisch mit den engen Konventionen des klassischen Balletts und lässt die Spitzenschuh-Pas de deux in einen spöttischen Flirt der beiden Protagonist*innen Bruna Andrade und Nicholas Losada übergehen.
An das Best-of-Programm „Mega Israel“, bei dem im vergangenen Jahr ein Höhepunkt den nächsten jagte und die erste Riege der israelischen Choreograph*innen zu erleben war, reicht „Classy Classics“ nicht heran, ist aber dennoch ein unterhaltsamer Abend mit einigen herausragenden Nummern.
Bei diesem Gastspiel zeigte sich aber wieder einmal, dass in Berlin ein Tanzhaus fehlt: das Haus der Berliner Festspiele hat zwar eine Bühne, die groß genug für Ensemble-Choreographien ist und auch die zahlreichen Tanz-Interessierten fasst, die zu den Gastspielen strömen. Die Sicht ist aber auf vielen Plätzen stark eingeschränkt.
Bilder: Regina Brocke