Ein Highlight im Teddy-Programm der Berlinale ist die Polit-Doku „Welcome to Chechnya“ des US-anerikanischen Investigativ-Journalisten David France, die er für HBO produzierte.
2017 setzte in der russischen Kaukasus-Republik Tschetschenien eine brutale Repressions-Welle gegen LGBT ein, die nicht nur bis heute anhält, sondern auch auf die Nachbarrepubliken übergriff.
Der Filmemacher nahm Kontakt zu einer Moskauer NGO auf, die es schaffte, mehr als 100 Homo- und Transsexuelle in Safe Houses in Moskau oder St. Petersburg zu bringen, oder in den brisantesten Fällen mit Hilfe internationaler Partner-NGOs Staaten finden konnte, die den Verfolgten Asyl gewähren. Insbesondere Kanada war hier sehr hilfsbereit.
„Welcome to Chechyna“ vermittelt einen sehr intensiven, hautnahen Eindruck von der konspirativen Arbeit dieser NGO. Oft wirkt die Doku fast wie ein Thriller. France schildert die Erfolge der Aktivist*innen ebenso wie ihre Niederlagen.
Besonders ausführlich wird ein Fall geschildert, auf den die Weltöffentlichkeit aufmerksam wurde: Maxim Lapidov wurde von seinen Folterern freigelassen und konnte gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Schwester und seinem Verlobten an einen geheimen Ort im Ausland gebracht werden. Von dort reichte er vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Klage gegen den tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow ein. In Interviews streitet dieser nach wie vor die brutale Repression von Schwulen und Lesben ab. Homosexualität gebe es in seinem Land überhaupt nicht, behauptet er dreist und kalt lächelnd.
Zu den Rückschlägen zählt, dass die Aktivistin Olga in einem Fall zu viel riskierte und nach einem Fehler selbst Asyl im Ausland beantragen musste. Bis heute ist auch der Verbleib von „Anya“ ungeklärt. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich die lesbische Tochter eines hochrangigen Regierungsbeamten. Sie wurde in ein Safe House im Ausland gebracht, hielt aber die monatelange Isolation in der kleinen Wohnung, die sie nicht verlassen durfte, nicht mehr aus und tauchte auf eigene Faust unter.
„Welcome to Chechnya“ ist eine sehenswerte Polit-Doku, die wegen des hohen Risikos für die Aktivist*innen mit speziellen Verfremdungstechniken gedreht und bei der Berlinale-Vorführung fast vom kompletten Kinosaal mit stehenden Ovationen gefeiert wurde. Bereits vor der Berlinale wurde er in Sundance mit einem Dokumentar-Film-Preis für den besten Schnitt ausgezeichnet.
Für ihren außerordentlichen Mut bekamen Maxim Lapidov und die beiden NGO-Aktivist*innen David und Olga bei der Teddy Gala den erstmals verliehenen Activist Award verliehen. Außerdem darf sich „Welcome to Chechnya“ noch über den Panorama Publikumspreis für die beste Dokumentation und den Amnesty International Filmpreis freuen.
Bild: © Public Square Films