The End. Eine Replikantenoper

Blade Runner trifft Weihnachtsevangelium: so könnte man den kurzen Abend „The End. Eine Replikantenoper“ auf den Punkt bringen, der im September 2019 im Kleinen Haus des Theaters Bremen Uraufführung hatte und heute auf dem digitalen Spielplan von Nachtkritik stand.

Der Regen plätschert unaufhörlich 55 Minuten lang, während die fünf Spieler*innen (Annemaaike Bakker, Nadine Geyersbach,Justus Ritter, Matthieu Svetchine und Alexander Swoboda) wie angewurzelt in einer Reihe frontal vor dem Publikum aufgereiht sind und stoisch wie Androiden dem Wasser trotzen und weitersprechen, auch wenn sie am Ende klatschnass sind und die Kostüme durchgeweicht sind.

Mit feiner Ironie lassen Autor Eichberg und Regisseur Rothenhäusler zwei Genres auf einander prallen: Die melodramatische Science Fiction-Action-Story über Replikanten, die von den „Menschen“ (von den Androiden leitmotivisch voller Verachtung herausgepresst) gejagt und dennoch nicht unter Kontrolle gebracht werden, erinnert sehr deutlich an den „Blade Runner“-Blockbuster und die Vorlage von Philipp K. Dick. Der Plot wird verschnitten mit Motiven aus dem Weihnachts-Evangelium. In hohem, feierlichem Ton raunen die fünf Spieler*innen vom „Kindelein“, das auf ähnlich unnatürlichem Wege wie bei Marias unbefleckter Empfängnis zur Welt kommt. Für die passende sakrale Stimmung sorgen die beiden Live-Musiker Moritz Widrig und Jo Flüeler, die neben kurz angespielten Zitaten von Pop-Hymnen und Schlagern vor allem die Orgel-Musik katholischer Gottesdienste parodieren.

The End. Eine Replikantenoper

„The End. Eine Replikantenoper“ ist ein sehr ungewöhnlicher Theaterabend, der trotz des statischen Settings, bei dem sich die Spieler*innen nicht von der Stelle bewegen, die Leichtigkeit einer experimentierfreudigen Studio-Inszenierung hat. Der Bremer Hausregisseur Rothenhäusler trieb sein aus früheren Inszenierungen wie „Trüffel Trüffel Trüffel“ bekanntes Stilprinzip, dass das Ensemble neben einander aufgereiht ist, diesmal auf die Spitze. Während sich seine Spieler*innen bei der unterhaltsamen Münchner Farce einander zuwandten, richten die Androiden den Blick immer starr geradeaus ins Publikum. Mit verfremdeten Stimmen und todernst-regloser Miene sprechen sie den anspielungsreichen Text.

Wie funktioniert der Abend im Stream? Als Live-Erlebnis in der Studioatmosphäre des Kleinen Hauses wirken der prasselnde Regen, die durchnässten Spieler*innen und der von den Wassermassen beschädigte Vorhang sicher wesentlich intensiver als in der abgefilmten Version. Im Stream kommen jedoch die Zooms auf die reglosen Gesichter des monoton sprechenden Ensembles gut zur Geltung. Auch die mehrfach eingesetzten Überblendungen zwischen Spieler*innen und Musikern sind ein interessante, eine leicht surreale Atmosphäre hervorrufende Stilmittel.

Bilder: Philip Frowein

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