Drei Generationen leidender, gebrochener Frauen stellt Katie Mitchell in der deutschen Erstaufführung von „Anatomie eines Suizids“ aus. Statisch nebeneinander aufgereiht erzählen Julia Wieninger, Gala Othero Winter und Sandra Gerling aus ihrem Leben: kahle, brutal-hässliche Betonwand hinter sich, den Blick in die Leere vor sich gerichtet.
Der Text von Alice Birch, der 2017 am Royal Court Theatre in London uraufgeführt wurde, ist eine Parallel-Montage der drei Frauen-Schicksale: ein bleiernes und düsternes Drama, das wie bei Sarah Kane in die Abgründe der Verzweiflung, aber ohne die wütende „In-Yer-Face“-Drastik des 90er Jahre-Theaters von Kane oder Mark Ravenhill.
Auffällig ist, dass Katie Mitchell diesmal auf den Live-Video-Einsatz verzichtet. In den vergangenen Jahren entwickelte sie es zu ihrem Markenzeichen, das Bühnen-Geschehen abzufilmen und live auf die große Leinwand über den Köpfen der Spieler*innen zu projizieren, wie zuletzt auch in ihrer „Orlando“-Inszenierung an der Schaubühne.
Der Mitschnitt von der Generalprobe im Oktober 2019 verharrt in der Totalen und hat alle drei Geschichten, die parallel ablaufen, im Blick. Das Ergebnis ist ein düsteres Grundrauschen, das sich zäh und sehr eindimensional dahinschleppt. Wie ausgebremst agieren die drei Hauptdarsteller*innen, stellte Katrin Ullmann in ihrer taz-Premierenkritik treffend fest. Das restliche Ensemble dient nur als Side-Kicks und Anspielpartner*innen für kurze Szenen aus der tristen Ödnis des Lebens der drei Frauen und muss die Kolleginnen wie Schaufensterpuppen regelmäßig aus- und umziehen.
Auch mit ihrem Vorwurf, dass der Text nicht über „holzschnittartige Reißbrettpsychologie“ hinauskommt und in seiner eigenen Düsternis ertrinkt, trifft die taz-Kritikerin meiner Meinung nach ins Schwarze.
Deshalb habe ich große Zweifel, ob das wegen der Corona-Pandemie ausgefallene Live-Erlebnis beim Theatertreffen 2020 wesentlich überzeugender gewesen wäre als die traurige Bilanz nach diesem Stream. Einen entscheidenden Vorteil hat die Aufzeichnung: die Zuschauer*innen müssen nur das fade Depressionstheater durchstehen und sind nicht auch noch dem Generalangriff auf ihre Lungen in dieser sehr verqualmten Inszenierung ausgesetzt.
Bild: Stephen Cummiskey