Überschattet von einem starken Anstieg der Corona-Infektionszahlen bereiten sich die Theater auf die neue Spielzeit vor: auf die Zugkraft der großen Namen, die in Berlin, Hamburg oder München die Saison eröffnen, hoffend und vor einem nächsten Lockdown bangend.
Streams werden momentan kaum noch angeboten. Monatelang stellten sie im Frühjahr die Grundversorgung mit Theater sicher, fast alle großen Bühnen holten ihre Schätze aus dem Archiv und schickten in Zeiten des Kontakt- und Auftrittsverbots Lebenszeichen an ihr Publikum.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Bühnen setzt das Schauspiel Graz sein Streaming-Angebot fort und präsentiert bis 28. August eine drei Jahre alte Inszenierung. „Cyrano de Bergerac“ (Premiere: 10. Juni 2017) hat viel von dem zu bieten, was unterhaltsames Sommertheater ausmacht: einen bewährten, klassischen Stoff, den Regisseur Markus Bothe sehr werktreu und mit behutsamen Aktualisierungen auf die Bühne bringt, einen charismatischen Hauptdarsteller, sehr gut choreographierte Fechtszenen und vor allem die tolle Kulisse der Kasematten auf dem Grazer Schlossberg.
Links und rechts von einem langen Laufsteg ist das Live-Publikum nah am Geschehen dran: Der Steg wird zum Catwalk für die narzisstischen Posen des beschränkten Schönlings (Benedikt Greiner als Christian de Neuvillette) und zur Bühne für die Monologe des Cyrano de Bergerac, der sich an seiner Formulierungskunst berauscht und an seiner zu großen Nase fast ebenso leidet wie an der unerwiderten Liebe zu Roxane (Henriette Blumenau). Vor allem wird der Steg aber auch immer wieder zur Fecht-Planche, auf der sich die Akteure in von Renata Jocic choreographierten Kämpfen duellieren.
Der knapp zweistündige, pausenlose Abend wird von einem überzeugenden Ensemble getragen, aus dem Andri Schenardi in der Titelrolle des Cyrano besonders in Erinnerung bleibt. Er fiel schon 2011 als unberechenbar-lasziver Barmann in den „Murder Ballads“ des Konzert Theaters Bern nach den Songs von Nick Cave auf, und gastiert seit einigen Jahren regelmäßig in verschiedenen Inszenierungen in Graz.
Ein Effekt geht im Stream zwangsläufig verloren: Während die Abenddämmerung über die Kasemattenbühne hereinbricht, wird auch die Tonlage auf der Bühne düsterer. Aus der leichtfüßigen Liebeskomödie wird – ganz wie bei Rostand – großes Herzschmerz-Drama, das ins Halbdunkel getaucht wird.
Bild: Lupi Spuma