Zufällig stieß Sebastián Muñoz in einem Second-Hand-Buchladen auf einen Pulp-Roman, der Chile Anfang der 1970er Jahre aufwühlte. Sehr explizit erzählte Mario Cruz in „Der Prinz“ von den Machtstrukturen, Revierkämpfen und Abhängigkeitsverhältnissen in einem Knast in Chile.
„Potro“ (auch genannt „Der Hengst“, gespielt von Alfredo Castro) nimmt den Neuankömmling Jaime (Juan Carlos Maldonado) unter seine Fittiche, als er nach einem Mord im Gefängnis landet. Für die Protektion erwartet er im Gegenzug sexuelle Gefälligkeiten.
Ähnlich explizit wie die Vorlage erzählt auch der gleichnamige Film „Der Prinz“ von den Strukturen im Gefängnis und vom ewigen Kreislauf der Gewalt. Als sich die ältere Generation im Machtkampf gegenseitig außer Gefecht setzt, rückt „Der Prinz“ in der Hierarchie nach oben, setzt aber die selben Mechanismen und Rituale fort, die er selbst erlebt hat.
Aus dem Radio tönt die Antrittsrede des Präsidenten Salvador Allende, der 1970 mit großen Hoffnungen ins Amt gewählt worden ist. Wie wir heute wissen, putschte nur drei Jahre später General Pinochet gegen ihn und unterjochte Chile mit einer brutalen Militärdiktatur, Folter und Verschleppungen, die z.B. in „Die Kordillere der Träume“ dokumentiert wurden. Konsequenterweise wird dieser kurze Moment trügerischer Hoffnung im Abspann von einem melancholischen Song unterlegt. Ebenso wie im Gefängnis ging auch in der chilenischen Politik die Gewaltspirale weiter.
„Der Prinz“ lief 2019 in der Reihe „Settimana Internazionale della Critica“ beim Festival von Venedig und gewann dort den Queer Lion, das Pendant zum Teddy, bereits ein Jahr davor wurde eine Rohfassung auf dem Festival von San Sebastian gezeigt.
Bild: Salzgeber & Co.