Niemand wartet auf Dich

In drei Rollen schlüpft Juliane Köhler, eines der Aushängeschilder im Ensemble des Münchner Residenztheaters, an diesem Zoom-Theater-Abend aus dem Marstall: Als 85jährige Witwe Greta schlurft sie zunächst auf die Bühne. Die betagte Dame lamentiert über ihre Einsamkeit, über ihre Sorgen, die ihr die natürlich längst erwachsene Tochter weiterhin macht, und erzählt stolz, dass sie sich für den Umweltschutz einsetzt. Ihr Beitrag, die Welt jeden Tag ein kleines bisschen besser zu machen, ist es, auf ihren Spaziergängen achtlos weggeworfenen Müll aufzuheben.

Live während der Zoom-Performance, an der pro Abend nur 20 Personen teilnehmen können, zieht sich Köhler am Schminktisch um und verwandelt sich nun in eine Politikerin, die ihr Rücktritts-Statement ein letztes Mal probt und dann an die Öffentlichkeit geht. Hart geht die Parteivorsitzende mit sich ins Gericht: zu oft sei sie nur Spielball gewesen, zu selten habe sie energisch eingegriffen. Desillusioniert erklärt sie nun ihren Rückzug ins Private, da sie ihren eigenen hochgesteckten Ansprüchen nicht gerecht werden könnte.

Im letzten Drittel erscheint Juliane Köhler in ihrem gewohnten Look. Charmant macht sie dem Publikum eine Liebeserklärung, erzählt, wie sehr sie das Gemeinschaftsgefühl im Theater vermisse und wie oft sie nachts grübelnd wach liege, weil sie sich mit dem Gedanken quäle, dass man unbedingt etwas tun müsse gegen all die Fehlentwicklungen, aber unklar sei, wo man ansetzen könne.

Die Klammer dieser drei unterschiedlichen Frauen-Monologe ist das Buch „Niemand wartet auf dich“. Alle drei Frauen grübeln über ihre Schwächen und über diesen Titel nach. Nach einer Stunde fordert Köhler das Publikum vor den Zoom-Kameras auf, einfach loszulassen, sich nicht mit zu viel Grübeleien selbst zu überfordern und sich nicht von der Last der Verantwortung erdrücken zu lassen.

Die niederländische Dramatikerin Lot Vekemans hat diese drei Miniaturen bereits 2018 veröffentlicht. Eigentlich ist es ihre Stärke, Figuren in verdichteten Texten plastisch werden zu lassen, wie zum Beispiel in ihrem Monolog „Ismene, Schwester von…“, in dem Susanne Wolff seit 2014 am DT Berlin zu erleben ist oder den „Judas“-Monolog, den Steven Scharf seit 2012 an den Münchner Kammerspielen performt.

Doch der „Niemand wartet auf dich“-Text von Vekemans bleibt blass und gibt auch theatralisch nur wenig her, so dass die Zoom-Vorstellung kaum über eine szenische Lesung hinauskommt. Wie Christiane Lutz in der SZ zurecht kritisierte, nutzt der von Daniela Kranz eingerichtete Monolog die Möglichkeiten des Online-Mediums überhaupt nicht. „Dreifach eindimensional“ bleibt der Abend und fällt damit hinter die „Superspreader“-Zoom-Performance zurück, bei der Florian Jahr am Ende in Großaufnahme auf die Kameralinse hauchte, aber sonst ebenfalls keine Interaktion mit den Zoom-Zuschauer*innen aufnahm.

Bild: Adrienne Meister

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