Macbeth – Ein Kurznachrichtentheater

Das „Schottenstück“ über das blutige, mörderische Paar Lord und Lady Macbeth verlegte Jan Philipp Gloger, Schauspieldirektor am Staatstheater Nürnberg, auf den Kurznachrichtendienst Telegram. Da dieser Dienst, der in den vergangenen Monaten vor allem als Kanal für die Verschwörungstheorien von Attila Hildman für Negativ-Schlagzeilen als Datenkrake berüchtigt ist, empfahl das Theater, die App nach der Vorstellung gleich wieder zu löschen. Konsequenter wäre es gewesen, gleich einen anderen Anbieter zu wählen.

Der bekannte Shakespeare-Plot und die kunstvolle, bewusst archaische Übersetzung von Angela Schanelec bleiben in diesem Lockdown-Theater-Experiment erhalten. Meist fliegen die Dialoge als mit Smileys versehene Kurznachrichten oder in kleinen Sprachnachrichten zwischen Macbeth (Justus Pfankuch) und seiner Frau (Lisa Mies) hin und her. Je verzweifelter und wirrer die Gedanken werden, desto mehr Tippfehler schleichen sich in die Online-Korrespondenz über die perfiden Mordpläne des Paares. Die Lady neckt ihren Liebsten mit Comedy- oder Kätzchen-Videos von Youtube, er revanchiert sich mit Großaufnahmen der Blutlachen und Leichen. Dräuende Hintermusik wird in den Audiodateien immer dann eingesetzt, wenn sich die Handlung der Tragödie dramatisch zuspitzt.

Lisa Mies und Justus Pfankuch, Bild: Staatstheater Nürnberg

Der Shakespeare-Klassiker erzählt sich auch in diesem ungewohnten Telegram-Format handwerklich souverän und strebt zielstrebig seinem bekannten blutigen Finale entgegen. Diesem Experiment ist aber doch in jedem Moment deutlich anzumerken, dass es aus der Not des Lockdowns heraus geboren ist. Die Collage aus Sprach- und Textnachrichten und kleinen Icons testet einen neuen Kanal, die Spieler*innen und ihre Körper treten völlig dahinter zurück, so dass dieses Kurznachrichtentheater trotz aller Blutrünstigkeit des Stoffs recht blutleer bleibt. Diesem anerkennenswerten „Macbeth“-Versuch fehlt die Virtuosität, mit der zu Beginn des 2. Lockdowns die Gruppe „Freies digitales Theater“ in „werther.live“ (frei nach Goethe) verschiedene Social Media-Kanäle ausprobierte und dies sehr gekonnt damit verknüpfte, dass die Spieler*innen auch in kleinen Zoom-Szenen mit einander direkter in Kontakt traten.

Bild: Matthias Dengler

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