Woyzeck

Der Schweiß steht ihm auf der Stirn. In schier endlosen Runden hetzt Sebastian Nakajew über die Drehbühne, immer tiefer verstrickt sich der „Hirnwütige“ in seinem Wahn. In der knappen Stunde ziehen die weiteren Figuren von Georg Büchners Dramenfragment an ihm vorbei: Marie, der Tambourmajor, der Hauptmann. Sie alle sind schattenhafte Wesen, die so schnell wieder verschwinden wie sie auftauchen. Als Erinnungssplitter in Woyzecks Kopf inszeniert Lilja Rupprecht den Trip in den Wahnsinn der Hauptfigur.

Das schon oft gesehene Stück, das zu den Klassikern des Stadttheater-Kanons zählt, inszeniert Rupprecht in einer interessanten Netztheater-Variante. Der Live-Stream arbeitet stark mit Überblendungen, Verdopplungen und Unschärfen und findet damit eine passende theaterfilmische Umsetzung für den Wahn seines Protagonisten. Mit den Videos von Moritz Grewenig verfolgt diese „Woyzeck“-Inszenierung eine Ästhetik weiter, deren spektakulärstes Beispiel im vergangenen November Sebastian Hartmanns mit sechs Live-Kameras noch aufwändiger produzierter „Zauberberg“-Inszenierung ist.

WOYZECK von Georg Büchner Sabrina Ceesay, Sebastian Jakob Doppelbauer, Alban Mondschein, Sebastian Nakajew, Sabine Orléans Regie: Lilja Rupprecht Bühne: Anne Ehrlich Kostüme: Geraldine Arnold Video: Moritz Grewenig

Diesen Inszenierungen ist gemeinsam, dass sie sichtlich fürs Netz produziert sein, mit filmischen Mitteln experimentieren und mehr sein wollen als nur abgefilmtes Bühnenschauspiel. Der „Woyzeck“ aus Hannover setzt auf eine Collage assoziativer, szenischer Schnipsel, mit denen er weniger eine Handlung als ein Stimmungsbild erzählt. Im Zentrum des Abends steht die düstere, fiebrige Atmosphäre, das Halbdunkel dominiert und wird erst in den Schlussminuten durch grelle Lichtblitze aufgelöst.

Bilder: Kerstin Schomburg

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