Oscar Shorts 2021

Die #OscarsSoWhite-Klagen, dass schwarze Künstler und die Themen der schwarzen Bevölkerung in Hollywood seit Jahrzehnten zu wenig Raum und Aufmerksamkeit bekommen, und die hohen Wellen, die der Mord an George Flloyd und die weltweite #BlackLivesMatter-Bewegung schlugen, hatten ein sichtbares Ergebnis: Mit dem Black Panther-Drama „Judas and the Black Messiah“ (nominiert als bester Film, Auszeichnungen für den besten Song und für Daniel Kaluuya als bester Nebendarsteller), mit den Künstlerinnen-Dramen „Ma Rainey´s Black Bottom“ und „United States vs. Billie Holiday“ sowie mit dem Bürgerrechtsbewegungs-Kammerspiel „One Night in Miami“ waren schwarze Themen und die Geschichte des Rassismus im Oscar-Rennen des Jahres 2021 so prominent vertreten wie kaum jemals zuvor.

Diese Aufzählung schwarzer Künstler, die diesmal im Rampenlicht standen, wäre aber nicht komplett ohne den Gewinner des Kurzfilm-Oscars in der Kategorie „Live Action“: „Two Distant Strangers“ von Travon Free und Martin Desmond Roe ist ein kämpferisches Manifest der „Black Lives Matter“-Bewegung, ein 32minütiger Thesenfilm mit starker Message, allerdings umstrittener künstlerischer Qualität. Er erzählt von einem schwarzen Rapper (Joey Bada$$), der nach einem One Night Stand in einem Loop verschiedener Varianten immer wieder in dieselbe Katastrophe gerät: er wird Opfer rassistischer Polizeigewalt. Andrew Howard spielt die holzschnittartige Karikatur eines rassistischen Typen in Uniform. „Two Distant Strangers“ war in den USA höchst umstritten, dem Film wurde zurecht vorgeworfen, dass er Traumata brutaler Gewalt ausbeutet und seine Botschaft zu wenig subtil vermittelt.

Der Film setzte sich dennoch gegen seine vier Mitbewerber durch. Das zweite politische Kurz-Drama, das im Vorfeld viel Aufmerksamkeit bekommen hat, ist „The Present“ von Farah Nabulsi. Schnörkellos und beklemmend erzählt er von den Schikanen, die ein palästinensischer Vater und seine Tochter an einem Checkpoint des israelischen Militärs in den Palästinensergebieten erdulden müssen.

Zwischen diesen existentiellen, kämpferischen Dramen gab es kurze Momente der Komik und Entspannung in „The Letter Room“ von Elvira Lind und Sofia Sondervan. Dies war auch der einzige Kurzfilm mit Hollywood-Star-Glamour im aktuellen Jahrgang: Oscar Isaac und sein überdimensionaler Schnauzbart spielen die Hauptrollen in diesem Film über einen Gefängnismitarbeiter, der die Post der Häftlinge filtern muss.

Die kurze Skizze für ein großes Hollywood-Melodram bietet „Feeling through“: leider zu penetrant von kitschiger Musik unterlegt, erzählt der Film von Doug Rouland, wie sich der schwarze Jugendliche Tereek (Steven Prescod) anfangs zwar widerstrebend, aber dann umso ausdauernder um den taubstummen, blinden Artie (Robert Arango) kümmert. Der Film feiert einen Moment der Menschlichkeit zwischen einem Schwarzen und Weißen aus unterschiedlichen Generationen im geschäftigen, gnadenlosen Moloch New Yorck, ist dabei jedoch zu süßlich geraten.

Filmstill aus „White Eye“

Den fünften Oscar-Kandidaten, „White Eye“ der Israelis Tomer Shushan und Shira Hochman, konnte das Publikum schon im vergangenen Herbst schon bei der Online-Ausgabe des interfilm-Festivals erleben. Mit raschen Perspektivwechseln erzählt der Film, der um ein gestohlenes Fahrrad kreist, von sozialen Gegensätzen und von den Vorurteilen gegen Migranten und Minderheiten, die schnell als Verdächtige abgestempelt werden. Das Team von interfilm bietet auch online die komplette Auswahl der Oscar Shorts: neben der hier beschriebenen „Live Action“-Sektion sind auch die Animationsfilme und drei Bonus-Tracks abrufbar.

Vorschaubild aus „Feeling through“: interfilm Berlin

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