Körber Studio Junge Regie Doppel-Edition 2020/21

Mit einem Doppel-Sieg endete die Doppel-Edition der beiden Corona-Jahrgänge 2020/2021 beim Körber Studio Junge Regie, der traditionell im Frühsommer am Hamburger Thalia Theater stattfindenden Leistungsschau deutschsprachiger Schauspielschulen. Die Otto Falckenberg Schule aus München räumte durchaus verdient beide Preise ab.

Prämiert wurden zwei Arbeiten junger Frauen, die stellvertretend für eine Generation stehen, die Missstände nicht einfach unhinterfragt hinnehmen will und die etablierten Strukturen des Stadttheaters herausfordert. Das Positive an den beiden Inszenierungen „Messy History Lessons“ von Caroline Kapp (2020) und „R-Faktor. Das Unfassbare“ von Ayse Güvendirenn ist, dass hier eine engagierte, woke Generation das Wort ergreift und ihre feministische, antirassistische Agenda vertritt.

Szenenbild aus Messy History Lessons von Laura Kansy

Beiden Arbeiten ist aber auch gemeinsam, dass sie wenige Überraschungen bieten. Sie kritisieren den Corona-Backlash, den viele Frauen beklagen, beziehen sich auf Vorbilder wie Virginia Woolf, machen in karikierender Überzeichnung rassistische Stereotype in den Köpfen der Auswahljurys der Schauspielschulen kenntlich oder referieren Erlebnisse von migrantischen Künstlerinnen wie Pinar Karabulut, die sich zur Hausregisseurin der Münchner Kammerspiele hochkämpfte. Beiden Inszenierung ist gemein, dass sie klare Standpunkte vertreten und etwas zu sagen haben, aber oft an „Buzzword-Bingo“ erinnern.

Ihr klarer Standpunkt hebt sie wohltuend von vielen restlichen Arbeiten ab, die zu selbstreferentiell um sich kreisten, mal auf Hollywood-Star Julia Roberts, mal auf Champions League-Ikone Sergio Ramos anspielten. Erstaunlich viele Arbeiten hinterliessen kaum einen nachhaltigen Eindruck und waren ebenso schnell vergessen wie angeklickt.

Szenenbild aus Gegen alle Widerstände von Christian Schuller

Neben den beiden Preisträgerinnen sind positiv noch einige andere Arbeiten hervorzuheben: klassisches Dokumentartheater bot Marie Schwesinger in „Gegen alle Widerstände“. Dieses Stück von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt/Main wurde in Kooperation mit dem Schauspiel Frankfurt erarbeitet und beleuchtet die Auschwitz-Prozesse und die NS-Aufarbeitung in den 1960er Jahren. Konservativere Ansätze sah man auch vom Max Reinhardt Seminar Wien, das mit zwei Produktionen ins Rennen ging, die die Arbeit am Text in den Mittelpunkt stellten: Hans-Christian Hasselmanns Adaption von Christa Wolfs Roman „Medea. Stimmen“ und Rachel Müllers „Noch ist alles asphaltiert“, einem Stück über verlorene Figuren während einer Bahnfahrt.

Szenenbild aus Medea. Stimmen von Andrea Klem

Die schillerndste und witzigste Inszenierung stammt von Dor Aloni von der Theaterakademie Hamburg, der mit „Hitler Baby One More Time“ auch bereits zum digitalen „Diaspora Europa“-Festival der Berliner Volksbühne eingeladen war: „Danke, Deutschland!“ ist ein bissiger Rundumschlag gegen den Theaterbetrieb. Gustaf Gründgens wird mittels Archivmaterial demontiert, Aloni selbst lässt sich als Regisseur eines „Faust III“-Abends bei einer fiktiven Preisverleihung feiern.

Vorschaubild aus „R-Faktor. Das Unfassbare“: Nicole Marianna Wytyczak

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