Der Mauretanier

Sehr drastisch schildert „Der Mauretanier“ die Verhörmethoden in Guantánamo: in einigen Schlüsselszenen des letzten Drittels komprimiert Kevin Macdonald in seinem Politdrama die Vorwürfe, die Gefangene und ihre Anwälte den US-Behörden, den Geheimdiensten und vor allem dem damaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld machen: Szenen von Waterboarding und sexuellen Übergriffen werden in schnellen Schnitten aneinandergereiht

Entsetzt lesen der Militäranwalt Colonel Stuart Couch (Benedict Cumberbatch), der aus Gewissensgründen den Dienst als Ankläger in den Militärtribunalen quittiert, und die ACLU-Bürgerrechts-Anwältin Nancy Hollander (Jodie Foster) die Protokolle des Häftlings Mohamedou Ould Slahi, dazwischen flimmern bedrückende Szenen, in denen der Gefangene (Tahar Rahim) die Orientierung verliert und über die Schmerzgrenze hinaus getrieben wird, so dass er ein Geständnis unterschreibt.

Der Film basiert auf dem „Guantánamo Diary“, einem tagebuchartigen, in viele Sprachen übersetzten, 2015 auf Deutsch erschienen Bericht von Slahi, der zwischen 2002 und 2016 in dem Militär-Camp für Terrorverdächtige interniert war, das die Administration von George W. Bush auf rechtlich sehr zweifelhafter Basis und mit spitzfindigen juristischen Winkelzügen auf ihrem von Kuba gepachteten US-Stützpunkt errichtete.

Fast zwei Jahrzehnte nach 9/11 ist die Erinnerung an die Menschenrechtsverletzungen in Guantánamo bei vielen von dem Erschrecken über die skrupellose Fake News und America First-Präsidentschaft von Donald Trump überlagert. Deshalb ist es gut und wichtig, dass sich aktuelle Theaterstücke wie „Das Reich des Todes“ oder der Film „Der Mauretanier“ diesem Thema widmen. Das Politdrama, das auf wahren Begebenheiten beruht und im Abspann auch die realen Vorbilder der von Hollywood-Stars gespielten, allerdings recht stereotyp gezeichneten Figuren zeigt, ergreift sehr eindeutig Partei. Dass die Verhörmaßnahmen in Guantánmo unmenschlich waren, ist hierzulande Konsens. Fraglich ist jedoch, ob Slahi tatsächlich so unschuldig war und so oberflächliche Bekanntschaften zu den Attentätern von 9/11 hatte, wie er es immer wieder beteuert.

Mit dieser Frage befasst sich der Film nicht weiter, sondern konzentriert sich darauf, den Kampf der Bürgerrechts-Anwältin, die Läuterung des Militär-Anwalts und das Leiden des Häftlings zu schildern. Das ist oft arg konventionell und schablonenhaft geraten, aber als Zeitdokument sehenswert und sehr prominent besetzt.

Jodie Foster als Nancy Hollander

Für den britischen Regisseur Kevin Macdonald war es der erste bemerkenswerte Film nach längerer Pause. Seine bekanntesten Filme liegen schon eine Weile zurück: nach dem Dokumentarfilm-Oscar für „Ein Tag im September“ (1999) über das Münchner Olympia-Attentat von 1972 erreichten die beiden Politdramen „Der letzte König von Schottland“ (2006) und „State of Play“ (2008) ein breiteres Publikum, bevor es mit dem Sandalen-Film „Der Adler der neunten Legion“ (2011) abwärts ging. Auch „Der Mauretanier“ ist kein Meisterwerk, bei den Oscars blieb er ganz ohne Nominierung, Jodie Foster gewann aber zuvor den Golden Globe für die beste Nebendarstellerin, Tahar Rahim war als Hauptdarsteller nominiert.

Am 1. Juli startete „Der Mauretanier“ in den deutschen Kinos, kurz zuvor wurde er als Eröffnungsfilm der Sommer-Berlinale 2021 als Special jenseits der Sektionen präsentiert.

Bilder: TOBIS Verleih

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